Rock 'n Roll Children

Jugendkulturen in Deutschland und den Niederlanden in den Epochen des 20. Jahrhundert

Sarah Bartz, 2001

Hypothese:

Jede Jugendkultur findet ihren Ursprung in der wirtschaftlichen Lage der jeweiligen Zeit des einzelnen Landes. Dabei gehe ich davon aus, daß die deutsche Jugendkultur sich kaum von der niederländischen unterscheidet.

Teilfragen:

  • Wie gefährlich sind jugendliche Gruppierungen?
  • Wann werden sie gefährlich?
  • Für wen sind sie gefährlich, für sich selbst oder für andere?
  • Was sind die essentiellen Unterschiede zwischen der deutschen und der niederländischen Jugendkultur in den jeweiligen Epochen?

Einleitung

Die deutsche Jugendbewegung hat in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts bestimmt nicht den besten Ruf erlangt. Es wäre allerdings ein Unding die gesamte deutsche Jugendbewegung, oder gar die deutsche Jugendkultur auf Grund dieser 12 Jahre indem es die Hitlerjugend und den Bund Deutscher Mädel gab, als schlecht abzustempeln. Wahrscheinlich unterscheiden sich die restlichen Jahre, sowie die davor, nur wenig von denen der Niederlande.

Um mir und Anderen ein objektives Bild der oben genannten Aussage zu machen, werde ich zuerst in sieben Kapiteln die Jugendkulturen von Deutschland und den Niederlanden schildern. Dann werde ich meine Teilfragen beantworten und mit Hilfe meiner Hypothese eine These aufstellen. Ich versuche das ganze philosophisch zu beschreiben und zu interpretieren: es ist aber weitgehend meine eigene Philosophie, wobei ich mich durch Pädagogen, Philosophen, Künstlern und Schriftstellern inspirieren lasse.

Ein anderes Motiv dieses Thema zu wählen, ist der Versuch die elenden Vorurteile zwischen den jugendlichen beider Länder ein wenig aus dem Weg zu räumen. Immer noch denken viele junge Leute, daß sie sich um Längen von Jugendlichen aus anderen Ländern unterscheiden würden. Vor allem in der westlichen Welt gibt es meiner Meinung nach aber keine essentiellen Unterschiede.

Die sieben Kapitel repräsentieren sieben verschiedene Epochen, angefangen bei 1900 und aufhörend bei 2000. Die Zeiteinteilung habe ich bewußt gewählt, da man mehr oder weniger von einem Umschwung in der Charakterisierung der Jugendbewegung am Ende der Zeitspanne sprechen kann. Man muß aber in Betracht ziehen das alle "Umschwünge" von dem sozialen Umfeld der wirtschaftlichen Situation und vor allen von der vorigen Jugendgeneration beeinflußt sind. Man kann also keinesfalls eine klare Grenze ziehen, da sich die Gruppierungen über Jahre hinweg entwickeln.

1. Historische Hintergründe und Fakten

1.1. Zeitbalken

Epoche Deutschland Niederlande Historischer/Wirtschaftlicher Hintergrund
1900-1930 Pfadfinder ähnliche Verbände, wie die 'Wandervögel' Pfadfinder ähnliche Verbände (weg von der Straße) 1914-1918 erster Weltkrieg: die Niederlande bleibt neutral: Deutschland wird schwer getroffen: 1918-1933 Weimarer Republik; 1917/18 weltweite Grippeepedemie
1930-1945 Hitlerjugend/ Bund Deutscher Mädel/ Katholische und andere Gruppierungen vorwiegend im Untergrund Anfangs dieselben wie in der Epoche davor -im Krieg kaum Gemeinschaftsleben bei den Jugendlichen- Ökonomische Krise, verursacht durch den Börsenkrach in der USA ('29); Hitler kommt '33 in Deutschland an die Macht und somit der Nationalsozialismus; '39 bricht der zweite Weltkrieg aus
1945-1960 Halbstarken, Rock 'n Roll Nozems, Rock 'n Roll Wegen des Wiederaufbaus ist in beiden Ländern erst mal keine Zeit um Jugendlicher zu sein, geschweige den sich großartig zu gruppieren. Als der Wohlstand erreicht ist, entstand Mitte der Fünfziger wieder eine zunehmende Abgrenzung gegenüber den Erwach-senen.
1960-1969 'Flower Power' oder Hippie-Zeit/ Studentenunruhen 'Flower Power' oder Hippie-Zeit Der Wohlstand ist erreicht und immer mehr Musik und Trends schwappen aus der USA über. Viele sehen die Regierung der USA nicht mehr als großen Bruder sondern eher als großen Besserwisser. In Deutschland gibt es mehr Studenten-unruhen als in den Niederlanden.
1969-1979 Der Punk entsteht als Musikrichtung sowie auch Disco /Hausbesetzer szene Der Punk entsteht, als Musikart und als Lebensart; Rastafarian/ Hausbesetzerszene Diese Epoche steht eigentlich im Schatten der Sechziger; die Jugend scheint sich etwas 'beruhigt zu haben. Es entstehen neue Musikarten (Disco und Punk).
1979-1989 Der Punkstil ist 'normalisiert'/ Hausbesetzerszene/ NDW Punk/ Studentenunruhen vor allem in Amsterdam/ Hausbesetzerszene/
New Age
Die Achtziger werden durch die New Age Bewegung gekennzeichnet; leider werden in diesem Zusammenhang auch unter-schiedliche sogenannte Jugendsekten laut.
1989-2000 Neonazismus wird sichtbarer/ verschiedene Gangs (Faschistisch und Antifaschistisch)/ Raver-szene Gabberszene/ stärkere Abgrenzung zwischen 'Gabbers' und 'Altos' Durch den Fall der Mauer hat Deutschland wieder mit den östlichen Bundesländern zu tun. Durch die Wende erscheint auch der Nazismus aufzuleben. In vor allem Berlin bilden sich vorwiegend türkische Antifa(schistische) Gruppierungen. Eine positievere 'Flower Power' ähnliche Szene entsteht; die Raver/Techno Szene. In den Niederlanden merkt man auch etwas von dem zunehmenden Fremdenhaß, dieser scheint vor allem zwischen den Hooligans von Feyenoord Rotterdam und den von Ajax Amsterdam ausgetragen zu werden. Die Technoszene wird in den Niederlanden durch die Gabberszene vertreten.

1.2.1 1900-1930 in Deutschland

Ende des neunzehnten Jahrhunderts erlebte Deutschland einen wirtschaftlichen wie auch kulturellen Aufstieg. Die Anzahl der Neureichen stieg enorm. Die Jugend die in diesem neuen Reichtum aufwuchs stand unter dem Druck der neuen Gesellschaft. Sie lebte oftmals noch im Elternhause und hatte wenig Gelegenheit ihr eigenes Handeln zu erproben. Die deutsche Jugend wurde anders erzogen als die englische oder die amerikanische. In gehobenen Kreisen wußten die meisten Deutschen Jugendlichen sich nicht zu benehmen, sie bekamen zum Lernen aber auch kaum Gelegenheit und Vorbild.

Man könnte sagen das es damals schon einen ausgeprägten Generationskonflikt gab. Die Jugend war in die Gesellschaft nicht wirklich eingegliedert. Ein kultureller Reichtum der sich im freien Geiste entfalten konnte war zwar einerseits gegeben, trotzdem blieb die Erziehung im Elternhaus und in der Schule veraltet und in starre christliche, meist römisch-katholische Formen gegossen. Man sah die Jugend als unfreie Kinder und/oder halbwertige Erwachsene, es ist nachvollziehbar, daß die Jugend sich deshalb in ganzen Gruppen vor allem innerlich immer mehr von den Erwachsenen entfernte und zunehmend abgrenzte. Daß die beiden bis dahin großen deutschen Dogmen "Gott und Vaterland" nicht alles sein konnte spürte man wohl.

Diese Umstände führten in vielen Gruppen zur Selbsthilfe. Sie schafften sich ihr eigenes Umfeld. Während Schülerverbindungen im 19ten Jahrhundert durch Alkohol und Tabak geprägt wurden, entsagten die neuen Jugendgruppen zunehmend diesen Genußmitteln und verlegten ihre Aktivitäten ins Freie. Musik, Sport und die Erfahrung der Natur wahren plötzlich sehr wichtig. Am 4.11. 1901 gründet Karl Fischer in Steglitz (Berlin) den Ausschuß für Schülerfahrten, Wandervögel. Erwachsene vertreten die Organisation nach außen hin, intern haben sie aber junge Anführer. Schon 1902 werden auch außerhalb von Steglitz Wandervögelgruppen gegründet.

Wichtig ist nicht aus den Augen zu verlieren, daß es sich bei den Teilnehmern dieser Aktivitäten um die mehr oder weniger reichen Kinder der mittleren bis oberen Bürgerschicht handelte. Die Kinder und Jugendlichen, die in den Fabriken von früh bis spät schufteten hatten kaum Freizeit, weshalb sich auch die Frage nach ihren Freizeitbeschäftigungen erübrigt. Das Bürgertum und die (Neu)Reichen hatten wenig Kontakt mit der Arbeiterklasse. Um 1910, als auch die Arbeitsumstände in den Fabriken etwas besser wurden, suchten erstmals studentische Gruppen den Kontakt mit der arbeitenden Klasse. Man hatte auf den Gebieten sozialer, kultureller und schulischer Bildung nichts gemeinsam, trotzdem schafften es manche sich auf einer gemeinsamen Ebene zu treffen. Diese Ebene wurde in der Regel in der Schönheit der Natur gefunden. Solche gemeinsamen Aktivitäten wurden häufig von den ,Freideutschen' organisiert. Diese Gruppierung setzte sich auch stark für eine Schulreform ein. Die Bemühungen der Freidenker setzen bereits in der Renaissance ein, erleben in den 20er Jahren eine neue Blüte und sind weit bis ins 20. Jahrhundert spürbar.

,Zusammenfassend darf man sagen , daß der Humanitätsgedanke der Goethezeit in diesen Kreisen eine Renaissance erlebte; in alle Lebensgebiete hinein wurde das in der Stille wirksam. Aber dieses rinascimento nahm bei den produktiven Köpfen die Problemstellung des 20. Jahrhunderts auf und übernahm auch die rationalen Aufgaben der modernen Gesellschaft.

Diese Entwicklung wurde wie viele andere durch den Nationalsozialismus auf brutale Weise unterbrochen.

Dieses Stück soll aber keineswegs eine Lobeshymne auf die Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts sein. Denn die unterschiedlichen Wandervögelgruppen haben sich erst als die Inflation schon da wahr zusammen geschlossen um ein politisches Programm aufzustellen das eine Lösung hätte bieten können. Zur Zeit der Weimarer Republik scheinen viele kulturelle/soziale Ansätze in der zersplitterten politischen Meinungs- und Parteienvielfalt entweder unterzugehen oder sich gegenseitig lahmzulegen. Die aufkommende Gefahr des Nationalsozialismus und Faschismus wurde, wenn überhaupt, erst ziemlich spät wahrgenommen. Obwohl viele Wandervögel Gegner der radikalen Ideologien wahren, gab es auch viele Anhänger.

,Die Historiographie kann nur feststellen, daß auch die Jugendbewegung alle die Mängel zeigte, die dem deutschen Staatsbürgertum überhaupt anhafteten: in der Nachwirkung romantischer Stimmungen, im ungeklärten Irrationalismus des politischen Denkens, im Fehlen demokratischer Erfahrung.'

Das heißt aber nicht das man den Wandervögeln, oder anderen bündischen Jugendbewegungen, die Schuld geben kann.

Pfadfinder 1910

Pfadfinder im Spätsommer 1910 (J. van der Stehen, Leiderdorp)

1.2.2 1900-1930 in den Niederlanden

In den Niederlanden ist die Wirtschaftliche Lage Anfang des 20. Jahrhunderts ähnlich wie die in Deutschland. Der Größte Unterschied ist die geringe Teilnahme am 1. Weltkrieg und auch die größere Erfahrung mit der Demokratie. Immerhin gibt es diese schon seit dem 18. Jahrhundert in der Form einer parlamentarischen demokratischen Monarchie.

Das Vereinsleben ist auch für die Niederländische Jugend wichtig. Sie wollen eine neue Lebensform schaffen, dabei lehnen sie überwiegend jedoch moderne Entwicklungen ab. Sie sehen die immer größer werdende Städte als einen Bedrohung. Das zusammen Jungsein ist ihnen wichtig. Meistens äußert sich das in den gleichen Interessen. Diese sind ein romantischer Hang zur Natur, gemeinsam Volkslieder singen und dazu tanzen. Alkohol und Tabak schwören sie gemeinsam ab. Oftmals äußert sich die Gleichgesinnung sogar in der selben Kleidung. Sport wurde allerdings als unpassend angesehen. Man wertete ihn als zu aggressiv ab und deshalb paßte er nicht zu den Idealen der Jugend. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde Sport, vor allem Fußball, populär.

Auch hier haben die reichen Kinder, im Gegensatz zu den Armen. den Vorteil ihre reichliche Freizeit mit dem Vereinsleben auszufüllen. Die Reichen kommen in den Genuß der Schulung und sogar der Universität. Einige wohnen ab den 20er Jahren in Kommunen miteinander. Dadurch stehen sie nicht mehr so sehr unter dem Druck und Einfluß der Eltern. Dies hat wiederum zur Folge das die Jugendlichen Ideale in der Praxis ausprobiert und vor allem erweitert werden können.

Eine großer sozial-kultureller Unterschied zu der Entwicklung der deutschen Jugendbewegung ist die Versäulung der niederländischen Gesellschaft. Diese ist nämlich in vier verschiedene Säulen unterteilt; die Katholische, die Protestantische, die Sozialistische und die Liberale. Letztere wird auch die Neutrale Säule genannt weil sie eigentlich die Verteilung der Gesellschaft abwertete. Diese Einteilung hielt vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zu den 60er Jahren stand. Wegen dieser Säulen gibt es auch für jede Säule unterschiedliche Jugendbewegungen. Diese unterschiedlichen Gruppierungen haben wenig Kontakt miteinander, vor allem die Katholische Säule isoliert sich. Auch gibt es Unterschiede in der Kleidung und der Aktivitäten, diese Unterschiede sind aber viel kleiner als die Jugendlichen damals ahnen konnten.

In den religiösen Säulen waren Jungen und Mädchen getrennt; in den anderen beiden Säulen kam das auch vor, aber eher seltener.

Der Volkstanz ist die meist praktizierte Beschäftigung. Da ging es vor allem um den Tanz selber und weniger um Liebeleien zwischen einem Jungen und seiner Tanzpartnerin.

Das Buch ,Scouting for boys' (Lord Baden Powell, 1910) hat weltweiten Einfluß. Dadurch entsteht eine wichtige Bewegung die heute noch operiert: die Pfadfinder. Um1910 entstehen in vielen Ländern unabhängig voneinander die ersten Gruppen. Sie sind den Wandervögeln und anderen Pfadfinder ähnlichen Gruppen in Deutschland sehr verwandt. Es gibt zahlreiche Massenveranstaltungen, wo die Verständigung und der Kontakt mit anderen Ländern wichtig ist. 1915 wird die NPV (,Niederländischer Pfadfinder Verein') gegründet. Prinz Hendrik ist der Schirmherr. Es werden landesweite Absprachen über die Uniform, Flagge und Pfadfindergesetze gemacht. Auch spezifische Gruppen bekommen einen Platz innerhalb der NPV, sowie körperlich Behinderte und jüdische sowie protestantisch-christliche Pfadfinder. Mädchen werden nicht zugelassen, sie gründen 1916 die ,Niederländische Mädchengilde' (Nederlandsch Meisjesgilde). Das Erkunden ist die Basis des Pfadfinder-Daseins. Auf eine abenteuerliche Art und Weise werden verschieden Disziplinen gelehrt. Das was man lernt basiert auf den Grundüberzeugungen der eigenen Verantwortlichkeit und Zusammenarbeit. Für jede erlernte Disziplin bekommt man ein Abzeichen. Die Moral wird hoch geschrieben: jeden Tag eine Gute Tat! Die Erwachsenen haben die Leitung, aber auch etwas ältere und somit erfahrene Jugendliche hatten oft wichtige Führerpositionen. Die Pfadfinder waren vor allem liberaler Gesinnung.

Den Kampf gegen Alkohol wurde bei vielen, vor allem jungen Leuten, gleichgestellt mit dem Kampf für ein besseres Leben. Man sah wie viele arme Arbeiter sich in den Abgrund soffen. So entstand das ,blaue Prinzip', das neue Ideal der Jugend. Man strebte nach geistlicher Reinheit, reines irdisches Dasein und Kameradschaft. Man entwickelte einen eigenen Stil der zu dem Kampf gegen das spießbürgerliche Leben paßte. Die Haare der Jungen waren oft etwas länger, das der Mädchen etwas kürzer als normal. Zusammen wandern, Zelte aufschlagen und Volkstänze beförderten das Gefühl der Zusammengehörigkeit. 1906 entstand durch das Schriftstück eines angehenden Erziehers die Gruppierung ,Bund total abstinenter Schulamtkandidaten' (Kwekelingen Geheel Onthouders Bond; KGOB). Die Erneuerung der Schule/Erziehung war das Ziel. Jungen und Mädchen gingen frei miteinander um, was zu der Zeit eher ungewöhnlich war.

1920 ging der KGOB auf in den ,Niederländischen Bund der abstinenten Studenten' (Nederlandse Bond van Abstinent Studeerenden; NBAS). Das machte das NBAS doppelt so groß. Politisch war die Bewegung neutral. Diese zwei Vereine waren nicht die Einzigen, welche nach Enthaltsamkeit strebten.

Im Rahmen der Versäulung hatten die Sozialisten ihre eigenen Jugendbewegungen. Die ,Jugendzentrale für Arbeiter' (Arbeiders Jeugd Centrale; AJC) formte das Sprachrohr der Sozialistischen Jugend. Man handelte und amüsierte sich nach den sozialistische Idealen. Freundschaft, Volkstanz und die Gleichstellung zwischen Jungen und Mädchen waren wichtig. Eigentlich unterschieden sie sich nur wenig von den anderen Bewegungen, auch im Umgang mit Alkohol.

Es entstanden wie in Deutschland auch katholische Jugendverbände. Geistliche hatten die Leitung bei der Erziehung (die als sehr wichtig angesehen wurde) der katholischen Jugend. Die ,Junge Wache' (Jonge Wacht) und ,Kreuzzug' (Kruisvaart) wurden für die Jungen gegründet, die ,Katholische Jugend Vereinigung' und ,Der Gral' (De Graal) für die Mädchen.

Kinderlesesaal 1910

Kinderlesesaal um 1910 (Gemeentearchief Leiden)

1.3.1 1930-1945 in Deutschland

Diese Epoche habe ich bereits in dem Kapitel 1.2.1 eingeführt. Derartige Überschneidungen lassen sich natürlich nicht vermeiden, da die Geschichte im Zusammenhang, als Ganzes zu sehen ist.

1933 kam die NSDAP mit Adolf Hitler als "Führer" an die Macht. Sehr schnell wurde Deutschland eine totalitäre Diktatur. Das hatte natürlich auch weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Jugendlichen in Deutschland. Mit Hitler kam das 'Jungvolk', die 'Hitler Jugend' und der 'Bund Deutscher Mädel'. Alle anderen Jugendverbände wurden verboten. In den Kriegsjahren wurden alle Kinder schnell zu jungen Soldaten oder zu Erwachsenen die sehr hart um ihr Überleben kämpfen mußten.

Mit 10 Jahren sollten die Jungen dem Jungvolk beitreten und die Mädchen dem BDM. Mit 14 Jahren kamen die Jungen dann in die Hitlerjugend. Dort betätigten sie sich regelmäßig an Sport und wurden an militärische Disziplin und die NS-Propaganda heran geführt. Während die Mädchen in diesem Alter auf die Aufgaben der Frau, das heißt Mutterschaft und Haushaltspflichten vorbereitet wurden. 1936 wurde die HJ gesetzlich zur einzigen Staatsjugendorganisation erklärt, ab 1939 war die Mitgliedschaft Pflicht.

'In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bestand bislang in der linken Antifaschismus-Forschung die Neigung, die bündische Jugend der 20er und 30er Jahre global dem Präfachismus und der politischen Rechten zuzuordnen, und ihr somit die Voraussetzung zu antifaschistischer Tätigkeit abgesprochen und ein tatsächlich ausgeübter Widerstand nicht als solcher anerkannt wurde. '

Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, daß diese Verallgemeinerung natürlich unzulässig ist. Man kann immerhin auch nicht behaupten, daß alle deutschen Nazis waren. Die Eltern meines Großvaters, die Deutsche waren, wollten nicht das ihre Kinder in die HJ eintraten. Aus Angst wollten sie das aber auch nicht offen sagen. Gott sei Dank konnten sie die viele Arbeit in ihrer Fleischerei als Vorwand nehmen. Sie erklärten den Nazis das sie keine Arbeitskraft entbehren könnten.

Allerdings kann ich mir gut vorstellen das längst nicht jeder 1933 die Gefahr der Nazis und vor allem nicht der HJ / BDM sah. Auch glaube ich das viele, auch antifaschistische Menschen diese Jugendorganisationen als unschuldigen und netten Zeitvertreib sahen; und ausgegrenzt werden wollte auch damals keiner!

'...fühlte mich den Anderen gegenüber unterlegen. Anderen? Ja, die trugen eine tolle Uniform,...was trugen die Anderen eigentlich für eine Uniform? Ich hatte gehört, daß am 30. Januar 1933 ein Fackelzug mit Heil und Sieg stattgefunden haben sollte. Aber das war mir egal. Jedenfalls wollte ich jetzt auch so sein wie Andere, wollte dazugehören, wollte drin sein: im 'Deutschen Jungvolk', in dem mehr als die Hälfte meiner Klasse schon mittat, mitmarschierte. ' Joachim Steiner kam aus einer unpolitische Familie, er ist kein Nazi (mehr).

Wie schon gesagt, ist der bündischen Jugend vielleicht vor zu werfen, daß sie zu lange tatenlos zugeschaut hatten. Allerdings hat sich schon vor dem zweiten Weltkrieg ein eindeutiger linker Flügel der bündischen Jugend gebildet. Vor Allem aus diesem linken Flügel bildeten sich dann Widerstandskämpfer (Geschwister Scholl etc.). Meist waren es einzelne ehemalige Jugendführer die Einfluß auf eine größere, beziehungsweise andere Gruppe ausübten.

Die Mentalität in den verschiedenen Jugendbewegungen, sowie bei den Wandervögeln, Pfadfinder und der Freideutschen Jugend war die der Hitler Jugend und dem Bund Deutscher Mädel total entgegengesetzt. Die bündische Jugend wollte auf einer antimilitaristischen Ebene zusammen sein. In der HJ und dem BDM wurden Disziplin und der militante Charakter hoch geschrieben.

Allerdings verspüren die zwei verschiedenen Arten von Jugendgruppen ihren Drang nach Erneuerung und auch den Gemeinschaftssinn gleich.

Ein anderer wichtiger Hinweiß dafür, daß es nicht richtig ist, die ganze bündische Jugend als präfaschistisch abzustempeln, ist eben der oben angesprochene Fakt das schon 1933 die freien Jugendbünde und später auch die kirchlichen verboten wurden. Offiziell ehemalige Jugendführer wurden verfolgt und sogar für einige Zeit in ein KZ gesteckt. Viele arbeiteten weiter mit den Jugendlichen, vorwiegend jedoch im Untergrund. Sowie der Stuttgarter Eberhard Köbel, der 1929 den freien Jugendbund gründete, und später der KPD (Kommunistische Partei Deutschland) beitrat.

Nazipropaganda 1938

Nazipropaganda (1938)

1.3.2 1930-1945 in den Niederlanden

Als Erstes ist mir bei der Betrachtung dieser Epoche in den Niederlanden aufgefallen das sehr viele Massenveranstaltungen erwähnt werden. Und zwar auch mit anderen Ländern. Dies war schon seit ungefähr 1890 so. Ab 1933 nahmen Deutschland und Italien nicht mehr an diesen Veranstaltungen teil, sondern inszenieren ihre eigenen, nationalen Massenveranstaltungen. Nach dem 1. Weltkrieg herrschte in den Niederlanden (wie zunächst auch in Deutschland) eine allgemeine 'nie wieder Krieg' Stimmung, das äußerte sich auch in den Veranstaltungen der diversen Jugendverbände.

Die Pfadfinder trafen sich in dieser Epoche auch noch regelmäßig. Die Versäulung machte sich aufs Neue deutlich bemerkbar, als die Katholiken 1930 eine eigene Pfadfindergruppe gründeten: die 'katholischen Erkunder' (Katholieke Verkenners). 1945 wurde für katholische Mädchen die 'niederländische Führerinnen Bewegung' (Nederlandse Gidsen Beweging) gegründet.

1930 wurde das erste Vereinshaus des NBAS in Oldenbroek eröffnet. 1941 nahm das Vereinsleben dieser Gruppe ein Ende, sowie auch bei anderen Gruppierungen die Anhänger des blauen Prinzips waren.

Zu dieser Epoche ist es von Belang noch einmal die katholische Mädchen-Vereinigung ,der Gral' zu nennen. Sie wurde im Jahre 1929 gegründet. Dieser Bund war eine Ausnahme, weil weibliche Laien die Leitung hatten. Ausgangspunkt waren die Ideen des Jesuiten Van Ginneken. Er verkündete das Frauen innerhalb des Katholizismus mehr Selbständigkeit haben müßten. Auf Empfehlung des Bischofs Mgr. Aengenent wurde der Gral gegründet. Der Gralgeist wurde durch die Möglichkeit sich zu entfalten, Glaubensbekenntnis, Frohsinn und Dienstbarkeit geprägt. Während Propagandamärschen und Massenveranstaltungen wurde dieser Geist bemerkbar gemacht. Der Gral wollte die ganze Welt für sich gewinnen. In Berlin, London und der USA gründeten sie die gleichen Verbände. Die Mutterkirche akzeptierte -wie zu erwarten wahr- den Verein jedoch nicht. Als der Bischof Aengenets 1935 starb, mußten sie sich anpassen. Die Grals-Häuser wurden geschlossen, die Frauen wichen auf das Gemeindegebiet aus. Die traditionellen Aufgaben der Frau, wie Hausfrau und Mutter, werden zum Hauptthema. 1942 wurde der Bund durch die deutsche Besatzer verboten. Nach Kriegsende errichtete man ihn wieder; bis Heute konzentriert man sich vor allem auf Entwicklungshilfe für Frauen in der dritten Welt.

Die Jugendverbände spielten eine wichtige Rolle für die Beschäftigung der arbeitslosen Jugend. Nach dem Börsenzusammenbruch in New York (1929) stieg auch in den Niederlanden die Arbeitslosigkeit rapide an. Die AJC errichtete als erstes ein Arbeitslager für jugendliche Arbeitslose, nicht zu vergleichen mit denen in Deutschland unter Hitler. Sie spornten andere Jugendverbände an das Gleiche zu tun. Die Regierung tat nicht sehr viel um den Jugendlichen zu helfen, war aber dennoch ein wichtiger Investor. 1936, der Tiefpunkt der Krise, waren 8,1 % der Registrierten zwischen 14 und 24 arbeitslos, das waren 12,2 % der gesamten Berufsbevölkerung. Nach 1938 fielen die Arbeitslosenzahlen relativ schnell ab.

Die Besetzung durch die Deutschen am 10. Mai 1940 war für viele erst mal ein Schock. Nach der Kapitulation schien das Leben wieder seinen normalen Strukturen nach zu gehen. Allerdings wurde das Leben der Jugendverbände durch zahlreiche Verbote und Unterlassungen stark beeinträchtigt. Der ,Nationale Jugendlichenbund' (Nationaal Jongeren Verbond) wurde wegen der Treue zum Königshaus verboten, die Pfadfinder wegen der Bindung zu Großbritannien (siehe 1.2.2: ,Scouting for boys'). Reisen, und somit die Nutzung der Jugendherbergen und das Aufschlagen von Zelten wurde immer gefährlicher, vor allem wegen der Gefahr, als Junge für den Arbeitsdienst eingezogen zu werden. Davon abgesehen war die Nutzung von Zelten nur über Tag erlaubt, ein Lagerfeuer verstieß gegen das Verdunklungsgebot und nach 20 Uhr durfte sich sowieso niemand mehr draußen aufhalten. Viele konfessionelle Jugendverbände tauchten in der Kirche als ,Bibelkreise' unter. Das Mitglied der NSB Rost van Tonningen bekam im Juli 1940 den Auftrag die sozialistischen und kommunistischen Organisationen in die Nazistrukturen einzugliedern. Er wollte das die Niederländische Jugend in einer Organisation vereint sei. Er fing bei der AJC an, die Verhandlungen schlugen allerdings fehl. Die AJC hob sich selbst am 28. Juli 1940 auf, mehrere Organisationen taten das Gleiche.

Das Gegenstück zu HJ und BDM war der Jugendsturm (Jeugdstorm). Diese Organisation wurde am 1. Mai 1934 gegründet. Die Strukturen waren die der HJ und des BDM gleich, es gab aber kaum eine Zusammenarbeit. Jungen und Mädchen waren getrennt, bei Veranstaltungen traten sie gemeinsam auf. Jeder Niederländische, oder in den Niederlanden wohnende und der Arischen Rasse angehörende Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren durfte teilnehmen. Zwischen 10 und 14 Jahren hießen die Jungen Möwen (Meeuwen) und die Mädchen Möwchen (Meeuwkes); bis 18 Jahren hießen die Jungen Stürmer (Stormers), die Mädchen Stürmerinnen (Stormsters).

Das Lager Westerbork wurde im Jahre 1939 für deutsch-jüdische Flüchtlinge errichtet. Dort lebten auch viele Kinder und Jugendliche. Leo Blumensohn gründete für sie den ,Jugendbund'. Er leitete den Bund bis er 1944 deportiert wurde; er überlebte das Konzentrationslager. Drei mal pro Woche trafen sie sich. Es wurde Sport gemacht, Theater gespielt, jüdische Geschichte gelesen und die Torah besprochen. Die jüdischen Feiertage wurden zusammen zelebriert. Allmählich gab es 100 Teilnehmer, darunter auch Nichtgläubige. Nach der deutschen Machtübernahme mußte der Name in ,Schülerkreis' verändert werden. Ab 1942 wurden auch die in den Niederlanden lebenden Juden verfolgt und deportiert. Westerbork wurde ein Zwischenlager für jene Menschen, die in ein KZ verschleppt wurden. Der Schülerkreis erweiterte sich mit niederländischen Jugendlichen. Wegen den Deportationen blieben die Menschen nie lange in Westerbork, trotzdem machte man weiter, um den Menschen ein wenig Hoffnung zu schenken!

De Jeugdstorm 1940

De Jeugdstorm (1934-1945)

1.4.1 1945-1960 in Deutschland

Die Stunde Null! Deutschland hat den Krieg verloren!

Eigentlich hatten Hitler und die Nazis den Krieg verloren, trotzdem erscheint es mir mehr als einleuchtend, daß viele vaterlandsliebende Menschen in ihrem Stolz verletzt waren, auch wenn sie es jetzt nicht mehr zugeben würden. Aber es gab wichtigere Dinge. Man mußte das Überleben organisieren. Nur weil der Krieg zu Ende war, hatte noch lange nicht jeder etwas zu essen und für fast niemand war die Welt wieder in Ordnung.

"Die Formel der ,verwahrlosten Jugend' war schnell zur Hand, wenn in den ersten Jahren nach Kriegsende Erwachsene über Kinder und Jugendliche sprachen... Mitglieder der neu- und wiedergegründeten (und schnell überalterten) Parteien bedauerten das geringe politische Interesse der Jugend, die Chance der ,Stunde Null' sei von ihr nicht für einen Neuanfang genutzt worden."

Wegen der Nahrungsknappheit war in vielen Fällen Stehlen und der oft damit verbundene Handel auf dem Schwarzmarkt eine Überlebenschance. Obwohl das Stehlen zum Überleben (Mundraub) moralisch nicht verwerflich war/ist, wurde es sehr hart bestraft. Das sich daraus vor allem in den großen Städten verschiedene Jugendbanden bildeten, konnte wohl kaum jemand beeinflussen oder gar verhindern. Wenn man aus Not stiehlt wird es schnell zur Gewohnheit und eine Gewohnheit legt man nicht so schnell wieder ab, auch wenn sie zum Überleben nicht mehr gebraucht wird. Erwachsene zeigten wenig Verständnis für die "verdorbene" Jugend, obwohl die Jugend die Früchte der Erwachsenen zu tragen hatte. Nicht nur das Eltern ihre Kinder zum Stehlen schickten, eigentlich hat es auch nie eine Stunde Null gegeben. Sicherlich, Deutschland mußte wohl oder Übel von Neuem anfangen, aber die Vergangenheit war noch so belastend, daß man nicht unbefangen von vorne beginnen konnte. Und für die im Krieg aufgewachsenen Kinder war es eher ein neuer Umbruch, als ein Neuanfang.

Das fehlende politische Interesse ist bei vielen sicherlich entstanden -oder besser gesagt nie auf gekommen- weil es andere, nahe liegendere Dinge gab, welche die ganze Aufmerksamkeit banden. Nach den Erfahrungen der Nazizeit war Politik sowieso nicht hoch im Ansehen und alle bündischen Jugendgruppen waren scheinbar plötzlich mit dem Geruch eines paramilitärischen Quasi-Faschismus behaftet.

Allerdings muß man anmerken, daß die Probleme der Jugend auch die Probleme der Erwachsenen waren, nur die Erwachsenen hatten den Vorteil der Erfahrung und eben halt des Erwachsenseins.

Viele, vor allem junge Kinder starben an aufkommenden Epidemien, Mangelerscheinungen oder an einfachen Kinderkrankheiten weil sie zu schwach waren und nichts da war um sie zu stärken.

Deutschland wurde in drei westliche (amerikanisch, englisch, französisch) und in eine östliche (sowjetische) Besatzungszone (Sektoren) unterteilt. Die Hauptstadt Berlin, im Ostsektor gelegen, wurden ebenfalls in vier Sektoren unterteilt. Alle Sektoren blieben zunächst unter der zum Teil wechselnden Verwaltung der Alliierten Streitkräfte. Die drei westlichen Sektoren wurden 1949 in die Bundesrepublik Deutschland mit der Hauptstadt Bonn überführt, die Westsektoren von Berlin wurden zu Westberlin, welches der BRD angegliedert wurde und bis 1989 auch innerhalb der BRD einen Sonderstatus behielt. Der östliche Sektor wurde in die Deutsche Demokratische Republik mit Hauptstadt Ostberlin überführt. Weil auch offensichtlich die Alliierten nicht wußten, wie sie nach dem Krieg mit den Deutschen umgehen sollten, wurde nie ein Friedensvertrag geschlossen und die langsam abgebaute territoriale Hoheit der Siegermächte erst Ende der 80er Jahre de Fakto aufgehoben. Ein Phänomen, daß allerdings nur die Ostdeutschen Jugend im weiteren Verlauf deutlich beeinflußte.

Am 6. September 1953 fanden die zweiten Wahlen in der BRD statt und das Ergebnis bestätigte den Willen der Bevölkerung zur (für manche bedingungslosen) Westintegration deutlich. Wie positiv die Folgen dieses Willen auch waren, oder wie negativ die Folgen einer bedingungslosen Ostintegration gewesen wären; der Kalte Krieg -der bereits 1945 ein Fakt war- ist dadurch sicherlich enorm verschärft worden.

Die fünfziger Jahre hatten begonnen, der Kampf ums bloße Überleben war bei den meisten gewonnen, jetzt ging es darum Wohlstand aufzubauen und zu genießen. Die USA hatte Westeuropa als riesige Marktfläche gewonnen. Neue Produkte überströmten den Verbraucher. Der erste europäische TV-Boom wurde durch die Fußballweltmeisterschaft 1954 verursacht. Die Anzahl der TV-Geräte in deutschen Haushalten verachtfachte sich fast.

Es bildeten sich nach Amerikanischen Vorbild vor allem in Berlin die Banden der Halbstarken. Rock'n-Roll hörende, schmalzlockige Rowdies. In Berlin verursachten sie mehrere Straßenschlachten. Der Krieg war längst vergessen, der Kalte Krieg nur wenig zu verspüren, man hatte Zeit. Der Begriff ,Halbstarker' tritt als erstes in den Medien auf. Mit diesem Begriff wollte man verdeutlichen, daß es um eine Person geht, die noch nicht voll und ganz reif ist, also noch heranwachsend. Zuerst war es ein negativer Begriff, allerdings eher scherzhaft gemeint, später wurde der Begriff so in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegliedert, daß das Negative nahezu ganz wegfiel. Populär geworden ist der Begriff ganz besonders durch den Film ,Die Halbstarken' mit Horst Buchholz. Vor allem, aber nicht nur in Berlin wurde der Film von einem sehr großen Publikum gesehen.

Die Jugendkultur wie sie am Anfang des Jahrhunderts entstanden wahr, wahr tot, und die Welt der Jugendlichen eine ganz andere geworden.

Die Halbstarken im Kino 1955

"Die Halbstarken" im Kino (Ed van der Elsken, 1955)

1.4.2 1945-1960 in den Niederlanden

Das, was von den Vierzigern übrig geblieben ist, ist auch in den Niederlanden für den Wiederaufbau bestimmt. Auch dort sind Diebstahl und Schwarzhandel vor allem bei Jugendlichen zur Tagesordnung geworden. Die Erwachsenen machen sich über die Vernachlässigung der Sitten bei den Jugendlichen sorgen. Die Mädchen seien zu großzügig zu den Alliierten, die Jungen wären zu schnell bereit zur Benutzung von Gewalt. Zahllose Vorschläge wie man den Jugendlichen wieder Einhalt gebieten könnte wurden gemacht, aber die meisten wurden dann auch wieder abgelehnt. In Amsterdam gab es für kurze Zeit eine Art Sperrstunde für Mädchen unter 18. Wenn sie nach 23 Uhr auf der Straße von der Sittenpolizei erwischt wurden, nahm man sie mit. Nach einem Verhör und einer Untersuchung nach Geschlechtskrankheiten wurden die Mädchen Zuhause wieder abgeliefert.

GI-Freundin 1946

GI mit Freundin (Heerlen, 1946)

Schon vor Kriegsende wurden von unterschiedlichen Jugendverbänden, wie vom AJC, Pläne gemacht zur Wiederherrichtung der Jugendverbände. Kurzzeitig gab es einen Versuch die Versäulung zu durchbrechen, aber schon schnell kamen die alten Strukturen von vor dem Krieg wieder zurück. Trotzdem wurde eine übergreifende Organisation gegründet, die ,Niederländische Jugend Gemeinschaft' (Nederlandse Jeugd Gemeenschap). 1950 waren 25% der Jugendlichen zwischen 8 und 25 wieder Mitglied eines Jugendbundes. Danach fällt die Anzahl der Mitglieder.

In den Fünfzigern war auch hier die Zeit reif für Veränderungen. Allmählich hatte fast jeder sich einen gewissen Grad von Wohlstand erarbeitet. Der Straßenverkehr, die Anzahl der Produkte, insbesondere der Fernseher und die anglo-amerikanische Musik beeinflußte das Leben vieler.

Was in Deutschland die "Halbstarken" waren, waren in den Niederlanden die Nozems. Sie sahen fast genauso aus und verhielten sich auch wie ihre Deutschen Gegenstücke. Männlichkeit war wichtig, die Mädchen standen einen Rang tiefer, das Mofa war das Statussymbol der Stunde. In der Presse wurde viel Aufhebens um die Krawalle gemacht die durch die Nozems verursacht wurden. In Wirklichkeit waren die meisten Krawalle und Straßenschlachten nicht so schlimm wie behauptet, sie waren nur vor allen Dingen im Ausmaß neu für die Gesellschaft.

Bis 1956 der Rock'n-Roll aus den USA überschwappte hörten jung und alt die gleiche Musik aus dem Radio. Die einzige Musik die vor allem für Jugendliche war, war der Jazz. Jazz konnte man bei dem VARA-Discjockey und bei dem Westdeutschen Sender AFN (American Forces Network) hören. Der Rock'n-Roll kam zusammen mit Filmen und Platten von Bill Haley und besonders Elvis Presley, der Mitte der 50er Jahre in Deutschland als amerikanischer Soldat stationiert war.

Durch die Indonesische Revolution und vor allem durch die Dekolonisierung kommen viele Familien aus Indonesien in die Niederlande. Die Jugendlichen hatten oft die neue Tanzmusik "Rock'n-Roll" im Gepäck, die sie bei Amerikanischen Radiosendern gehört hatten, welche von Singapur und den Philippinen aus sendeten. Sie vermischten es mit eigener, traditionell indonesischer Musik. Dadurch entstand der Indo-Rock. Den Haag war die Basis, dort lebten sehr viele Indonesier. Die Musiker traten überwiegend in sehr bunten Smokings auf. Viele versuchten auch ihr Glück in Westdeutschland wo sich die Nachtclubs stark ausbreiteten.

Das Interesse an Jugendverbänden fiel in den Fünfzigern sehr schnell. Die strengen Regeln und Strukturen sprachen die Jugend nicht mehr an. Katholische und Protestantische Bünde gründeten daraufhin Jugendhäuser, wo man ohne feste Verpflichtungen hin gehen konnte.

Hot Jumpers, Indorock 1957

"Hot Jumpers", Indorock der ersten Stunde
(R. Boon, Den Haag, 1957)

1.5.1 1960-1969 in Deutschland

Das Magazin Stern im Rückblick auf das Jahrzehnt:

"Wir sahen wie der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte, bekamen den Kennedy-Mord in Zeitungen vorgeführt, Vietnam Greuel, Afrika-Masaker, Minirock, Beatles-Musik, Sexwelle, Aufklärung, Herztransplantationen - nichts blieb uns erspart und auf nichts mußten wir verzichten. Was für ein Jahrzehnt."

An den Universitäten der westlichen Welt herrschte eine revolutionäre Stimmung. Der Krieg in Vietnam, die Atombombe und die autoritären Lehrmethoden stießen auf Proteste. Demonstrationen, Streiks und Hausbesetzungen der Studenten folgten auf dem Fuß.

Das einschneidendste Ereignis in der deutschen Geschichte jener Epoche wahr wohl der Bau der Berliner Mauer 1961. Ostdeutschland wurde unter dem Druck der sowjetischen Besatzer und vor dem Hintergrund der Zerstrittenheit der deutschen und westalliierten Politiker in dieser Frage, von Westdeutschland abgespalten und beide Seiten durch die Mauer derart voneinander isoliert, daß die Jugendlichen beider Gesellschaften noch heute weitgehend getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Im Westen wurden die Proteste gegen die Adenauer-Regierung vor allem bei den jungen Leuten immer lauter. 1963 tritt Adenauer als Bundeskanzler zurück, aber weniger wegen Protesten, als aus innerparteilichem Verjüngungsdrang und katholisch/protestantischen Streitigkeiten unter den Funktionären der CDU. Man warf ihm damals vor, er habe die Wiedervereinigung nie gewollt. - Die Zeit der "Kanzler-Demokratie" war vorbei, was die Jugend aber nicht wirklich zu tangieren scheint.

Die meisten Menschen assoziieren die Sechziger mit der Hippie Bewegung. Eigentlich ist diese Gruppierung aber nicht charakterisierend für die ganze Epoche, sie entstand nämlich erst 1967 in Amerika und erfaßt Europa lokal zeitlich sehr unterschiedlich. Was den Geist der Epoche dennoch mit der Hippiebewegung verbindet, man wollte mehr Öffentlichkeit, mehr neue Öffentlichkeitsformen, es ging um ein Eingreifen wollen in gesellschaftliche Prozesse. Das Wort ,Hippie' stammt wahrscheinlich von dem anglo-amerikanischen Wort ,hip', was soviel bedeutet wie Eingeweihter. Das Zusammensein ist sehr wichtig, sie formen eine Gemeinschaft. Es ist eine bunte, fast religiöse Mischung aus fernöstlichem und indianischem Gedankengut und Riten, sowie aus Jugendstil und Romantik. Das Hippietum greift Teile früherer Jugendgesellschaften im Ideal auf, aber es gibt sie in der Form der "Sechziger" heute nicht mehr. Manche sind in die ,Jesus People' übergegangen.

Als entscheidend für den Rückgang der Hippiebewegung wird heute oft der Mord an der Schauspielerin Sharon Tate angesehen (ausgeübt von den Anhängern des amerikanischen "Hippie"anführers Charles Manson). Sie wird oft die Drogengeneration genannt oder durch Marihuana erleichterte Jugendliche. Was allerdings vom heutigen Standpunkt ungültig ist, denn auch die heutigen Jugendlichen (wie auch die anderen Epochen dazwischen) kann man nicht weniger eine Drogengeneration nennen.

Der Minirock machte einen wahrhaftigen Siegeszug. Er lancierte ein neues Modebewußtsein, sowie auch ein neues Idealbild der Frau. Jugendlichkeit und "absolut schlank sein" wurden zum absoluten Schönheitsideal. Er wahr das Symbol von Jugend und Freiheit in der Mode, er durchbrach die traditionellen Normen von Sitte und Moral, kurzum ein neues Freiheitsbewußtsein! Kritisch betrachtet machte er allerdings viele Mädchen unfrei.

Ab jetzt war es ,in' die Figur zu zeigen, dadurch wurde vielen nicht ideal schlanken Mädchen vorgemacht, sie müßten sich verändern um etwas in der jugendlichen Welt zu bedeuten.

Die Popmusik beeinflußte die Jugendkultur sehr stark. Immer mehr Musik entstand womit die Jugendlichen etwas anfangen konnten. Der Rock'n-Roll war immer weniger, bzw. nur noch bei bestimmten Gruppierungen gefragt. Die Beatmusik, der frühe Britpop, war sehr einflußreich (The Beatles, Rolling Stones, The Who), aber natürlich auch Amerikanische Bands und Interpreten (The Doors, Jimi Hendrix). Langsam versuchten auch immer mehr einheimische Bands ihr musikalisches Glück nach Englisch-Amerikanischen Vorbild (Udo Lindenberg, Ton Steine Scherben, Guru Guru).

Ich denke das es in der Westlichen Welt damals wenig Unterschiede bei den Jugendlichen gab. In politischer Hinsicht hatte Deutschland wegen seiner Zweiteilung und der Mauer, einen nicht sehr positiven Sonderstatus, aber das liegt im Auge des Betrachters.

1.5.2 1960-1969 in den Niederlanden

Wahrscheinlich ist diese Zeit die bekannteste und berüchtigtste. Bekannt, weil momentan die Sechziger ,in' sind, wenn es um Kleider und Musik geht, aber auch ein wenig, wenn es um die Einstellung geht. Berüchtigt wegen den Demonstrationen und Studentenbewegungen, was oft Eins war.

Die Anarchisten kommen auf. In Amsterdam manifestierte sich diese Lebenseinstellung bei den Provo's (1965), weiße Anarchisten. Sie wollten vor allem durch Provokation etwas verändern, oder wenigstens die Aufmerksamkeit der Masse erregen. Weitgehend versuchten sie das ohne Anwendung von Gewalt zu erreichen. Sie erstellten Pläne, wie in ihren Augen die Welt verbessert werden könne. Um ihre Pläne zu unterstreichen hielten sie ,Happenings' ab. Das sind Veranstaltungen wo meistens nicht viel passiert, allerdings sind sie meistens mit einem tieferen symbolischen oder künstlerischen Wert verbunden. Oftmals wurden diese Happinings durch hartes Eingreifen der Polizei beendet. Welch eine Ironie! Am 10. März 1966 wurde der Tag der Anarchie ausgerufen. An dem Tag heiratete die angehende Königin Beatrix von Oranien den Deutschen Claus von Amsberg, der im Zweiten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht gedient hatte. Viele Provo's und andere Gleichgesinnte versammelten sich und protestierten, sie sahen die Heirat als eine Beleidigung des Niederländischen Volkes an. Diesmal benutzen die Provo's Mittel, welche Gewalt sehr nahe kamen. Sie bewarfen die königliche Kutsche mit Rauchbomben.

Die Aktionen der Provo's, im Ausland entwickelten sich auch derartige Gruppen, hatten eine große Ausstrahlung. In Maastricht entstanden gleich zwei. Die eine war schnell zerschlagen. Die andere nannte man die Luuksbewegung (Luuksbeweging). Ihre Provokationen hatten einen sanftmütigeren Charakter. Es schlossen sich viele Künstler an, die den Ausdruck stark mit prägten. Deshalb hat ihre Zeitschrift, "Frühstück-am-Bett" (Ontbijt-op-bed) wahrscheinlich ein Dada-artiges Aussehen.

Im Jahre 1968 verlor Provo und auch die Luuksbewegung ihren Elan. Manche hörten ganz auf und Andere entwickelten sich in die Flower-Power Zeit hinein.

Die Anzahl der Studenten stieg enorm. 1963 wurde die landesweite Studentengewerkschaft (Studenten Vakbond) gegründet. Sie setzte sich für die Belange der Studenten und für die Demokratisierung des Unterrichtes ein. Sie verkündeten ihre Pläne in dem Demokratischen Manifest. Anfangs hatte die radikale Bewegung nur wenige Mitglieder, es wurden aber immer mehr.

1969 wurde zuerst die katholische Universität Tilburg von Studenten besetzt, dann die Gemeindeuniversität von Amsterdam. In Tilburg kam die Leitung den Studenten entgegen, in Amsterdam wurden die Besetzer mit Hilfe von Tränengas aus dem Gebäude gejagt.

Durch den gestiegenen Lebensstandard hatte die Jugend mehr Taschengeld zur Verfügung. Die Betriebe nutzten das natürlich, so entstand ein eigener Jugendmarkt. Auf die Bedürfnisse und Wünsche der Jugend abgestimmte Boutiquen wurden eröffnet. Die Minimode, nach dem Vorbild des Englischen Topmodels Twiggy, war der ,Renner' bei den jungen Mädchen.

Der Britpop manifestiert sich mit den Beatles und den Rolling Stones und sie beeinflussen die Jugend in der Mode und Lebenseinstellung. Die Beatles sind etwas vernünftiger und ruhiger, die Rolling Stones sind unvernünftig und wild, jedenfalls so wurde ihr Image vermarktet. Es probierten auch sehr viele einheimische Bands ihr Glück mit der Musik. Den Haag war das Zentrum, zahllose Bands entstanden dort und es wurden sehr viele Clubs eröffnet. Exception, The Golden Earing, The Motions und Q65 hatten auch im Ausland Erfolg.

Fernsehen und vor allem Radio nutzten die Welle um die Quoten zu verbessern. Mehrere Musikfernsehprogramme (Waauw; Fanclub; Moeg Ga Ga) entstanden und das Radio spielte viel Popmusik (Veronica -anfangs noch als Piratensender, Hilversum 3). Jetzt wurden überall viele Popkonzerte abgehalten (wie Kralingen in Rotterdam).

In Den Haag gab es drei größere Jugendgangs, wovon jeder einen etwas anderen Stil repräsentierte. Die Frösche (Kikkers) bevorzugten die Band ,The Golden Earing', sie trugen Capes und fuhren eine Puch (Mofa). Die Plu's gehören zu den Fans der ,Motions' und fahren ein Berinimofa. Die Bullen sind die Nozems der Sechziger, sie hören noch immer ,altmodischen' Rock'n-Roll, kämmen ihre Haare nach hinten und fahren auf einer Royal North.

In dieser "revolutionären" Zeit kommt so langsam die Entsäulung der Gesellschaft in Gang.

Tramper in Amsterdam 1969

Tramper auf dem "Dam" in Amsterdam (P. Pennarts, 1969)

Tramperjagd in Amsterdam 1970

Marineoffiziere auf der Jagd nach Trampern am "Dam" (Spaarnestad, 25.08.1970)

1.6.1 1969-1979 in Deutschland

Anfangs sind die Auswirkungen der Sechziger noch stark zu verspüren, sie wurden ja nicht umsonst die ,roaring sixties' genannt.

Ende dieser Epoche -ungefähr '77- entsteht der Punk. Es ist eine neue Musikrichtung aus England. Die ,Sex Pistols' sind, mit ihrem Lied ,I am an antichrist', die Pioniere. Es ist sehr laute und auch schnelle Musik, oftmals eher unmelodisch, die geschrieenen Texte prangerten die Mißstände der Gesellschaft an. Punks haben oftmals bunte hochstehende Haare und eine eigene Mode, die aus überwiegend Stoffetzen besteht, verziert mit Nieten und anderen Assessors. Viele leben als ,Streetkids' auf der Straße und finanzieren ihr Leben mit betteln.

" Hoe ziet de toekomst van de rockmuziek eruit? Die wordt overgenomen door de duitsers en de machines." ("Wie sieht die Zukunft der Rockmusik aus? Die wird von den deutschen und den Maschinen übernommen. ")

Deutschland bekommt, mitunter wegen der steigenden Kritik gegenüber der USA, mehr Einfluß in Europa. Vor allem in politischer Hinsicht, aber auch, wie man in dem Zitat erkennt, in der Musik. Mit ,Autobahn' landet Kraftwerk, '75 einen Hit über die Epoche hinaus. Das ganze Lied besteht hauptsächlich aus elektronischen Geräuschen von Elektronischen Instrumenten und der Text beschränkt sich auf den Satz: "wir fahr'n, fahr'n, fahr'n auf der Autobahn". Es war etwas total neues. Viele fanden es schrecklich und bekamen Angstvisionen über Computer, die den Menschen ersetzen. Kraftwerk benutzte diese Angst bewußt zur Auseinandersetzung mit ihr, sie stellten Roboter auf die Bühne die etwa genau so aussahen wie sie selber, der Techno war geboren, hatte aber noch keinen Namen und bis er die Jugend erreichte sollten noch ein paar Jahre vergehen.

Die elektronische Discomusik ist die tanzbare, Kraftwerk vor allem die experimentelle Variante der elektronischen Musik. Die Jugendlichen, die diese Musik liebten hießen Discos oder Popper. Sie legten sehr viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres und auf die neueste Discomode. In großen Städten, wie Hamburg und Berlin, gab es zum Teil heftige Auseinandersetzungen zwischen Poppern, Punks und Rockern. Es sind, vor allem oberflächlich gesehen, total entgegengesetzte Gruppierungen.

Die deutsche Rockband ,Scorpions' erlangt weltweiten Erfolg, bis in die späten Neunziger.

Sex Pistols

,God save the queen her fascist regime

it made you a moron a potential H bomb!

God save the queen she ain't no human being

There is no future in England's dreaming

Don't be told what you want don't be told what you need

There's no future no future for you'

Sex Pistols

1.6.2 1969-1979 in den Niederlanden

Ende der Sechziger entsteht ein neuer Trend, das Trampen. Jugendliche, die Mut hatten und ,alternativ' eingestellt waren schnürten ihren Rucksack und wanderten, trampten los. Es fängt in der USA an, Amsterdam wird jedoch zum magischem Zentrum. Der Dam war im Sommer '69 und auch '70 der Schlafplatz für viele Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ländern. Auf dem Dam steht ein nationales Gedenkzeichen des zweiten Weltkrieges, deshalb wurde am 24. August '70 ein Schlafverbot erteilt. Als trotzdem noch Jugendliche dort übernachteten, verjagten auf eigene Faust ein paar junge Marineoffiziere gewaltsam die jungen Alternativen. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, daß auch damals nicht alle Jugendliche gleicher Gesinnung waren. Im Sommer 1971 stellte die Stadt Amsterdam den Vondelpark für die Freiwildkamper zur Verfügung. Es gab in diesem Jahr 61.000 Übernachtungen und es wurde für 250.000,- DM Haschisch gekauft. Klagen aus der Nachbarschaft über Lärm und die gestiegene Kriminalität trugen dazu bei, daß das Projekt 1974 beendet wird. Die magische Anziehung des Vondelparks hält aber unter den Jugendlichen bis zum Anfang der 80er Jahre an.

Die Nachfrage nach Popmusik steigt immer weiter an. Immer mehr Konzerte werden organisiert. Eintägige Popfestivals werden Angelegenheiten der Gemeinde. Die Pioniere waren Lochem 1968 und 1970 Pinkpop in Geleen (siehe Foto).

Das gestiegene Bruttosozialprodukt verursachte, daß die Notwendigkeit sank ein Zimmer zu vermieten, damit man ein Extraeinkommen hatte. Die Anzahl der Studenten und das damit verbundene Bedürfnis nach einem Wohnort außerhalb des Elternhauses stieg dahingegen. '69 fingen sich die ersten Anzeichen der Hausbesetzer-Szene an zu manifestieren. Ex-Provo's gründeten das ,Wohnungsbüro für Hausbesetzer' (Woningburo voor Krakers). Ab Mitte der Siebziger bekamen immer mehr Jugendliche eine Wohnung auch durch Besetzung. Für viele war es auch ein Protest gegen Spekulantentum, für das deren leerstehende Häuser ein Synonym war.

Anders als in Deutschland wurde die Punkszene zu einer neuen, relativ großen, sozialen Gruppierung -es ist fast schon eine Art Anti-Religon-, überwiegend mit jugendlichen Mitgliedern. Punker sind ziemlich pessimistisch, vor allem wenn es um den Staat und die sozialen Verhältnisse geht. Sie glauben das die Welt am Abgrund steht und das ist für sie ein Grund, um so intensiv wie möglich zu leben. Zu Extremsituationen führte ihre anarchistische Einstellung vor allem in Amsterdam bei Straßenschlachten mit der Polizei. Punker, vor allem die niederländischen, fühlen sich mit den Rasta's, und derer Musik dem Reggea, verbunden. Nicht weil die Musik sich so ähnelt, das tut sie nämlich nur im Ska-Punk, sondern weil die Texte vergleichbare Inhalte haben. Die Surinamer mobilisierten sich in der Rastafarian-Bewegung. Bob Marley wurde fast wie eine Gottheit verehrt und das Motto hieß: "Zurück zu den Wurzeln, zurück nach Afrika". Graffitis waren vor Allem für die Punkerszene ein wichtiges Medium, hierdurch teilten sie sich mit. Die wachsende Arbeitslosigkeit auch unter den Jugendlichen war mitunter ein Grund für den Pessimismus.

Discos und Punks sind grundverschiedene Jugendbewegungen. Die einen glatt und glitzernd, die andern rauh und schwarz.

1.7.1 1979-1989 in Deutschland

Die Hausbesetzerszene entstand. Vor allem in Berlin wurden Häuser von den Wonungsuchenden einfach beschlagnahmt. Deutsche Punks sind oftmals unter den Besetzern.

Eine neue Jugendgruppe die entstand waren die Popper. Diese sahen die vergangenen Jugendgenerationen als ewig protestierende, unzufriedene Menschen. Die Popper wollten sich ganz von denen absetzen. Die Frisuren die sie trugen sehen oft aus, wie die der Punks, eine Seite rasiert, die andere lang. Es war aber auch nur ein wenig die Frisur, die sie mit den Punkern verband. Ansonsten legten sie viel Wert auf ein möglichst gepflegtes Äußeres. Eigentlich waren es die Discos der Achtziger.

Wie auch in anderen Westeuropäischen Ländern kam der New Wave auf. In Deutschland die ,Neue Deutsche Welle' (NDW). In gewisser Weise wurde die ,mach-es-selbst' Mentalität der Punks auf die breite Masse übertragen. Die, die genug davon hatten amerikanische und englische Bands zu kopieren machten selber Musik. Denn der einzige deutsche Popstar war Udo Lindenberg und das einzig Neue dieser Zeit war Nina Hagen. Es gab eigentlich keine Vorschriften, alles wozu man tanzen konnte und was auf deutsch gesungen wurde gehörte zur NDW. Die Medien puschten sie. Eine richtiger ,Boom' wurde mit Musik von ,Extrabreit'; ,Rheingold'; ,DAF'; ,Trio' und noch vielen anderen erreicht. '82 kamen dann die frech, fröhlichen Mitsinglieder von unter anderem ,Nena' und ,UKW'. Das Durchschnittsalter der Fans sank enorm.

Irgendwann im Jahre '84 redete sich das Publikum ein, es sei doch nur alles Schrott und hörte, wenn überhaupt deutsch, dann ,BAP' oder ,Herbert Grönemeyer'. Die zwei letzteren, genau wie Nena, sind heute noch bekannt.

1989 geschah dann etwas sehr prägendes für die weitere deutsche Geschichte und auch für die Jugend; die Mauer von 1961 zwischen West- und Ostdeutschland fiel. Bei einen gigantischen Fest wurden Teile der Mauer von Feiernden abgerissen, die Scorpions spielten das heute weltberühmte Lied ,Wind of Changes' auf der Mauer. "Friede, Freude, Eierkuchen" war in allen Herzen kurz zu spüren.

Trotzdem schien sich schon etwas Neues anzubahnen, als inmitten eines riesigen Fahnenmeeres vor den Augen des Bundeskanzlers eine Fahne des dritten Reiches zu entdecken war. Der Neonazismus war immer schon vorhanden gewesen, aber jetzt, durch die Wiedervereinigung schien er sichtbarer geworden zu sein!

Tag der Hausbesetzer 1980

Der Tag der Hausbesetzer, Amsterdam
(Steye Raviez, 30.04.1980)

1.7.2 1979-1989 in den Niederlanden

Eine Weiterführung der Provos und später Punks ist in den Achtziger die Hausbesetzerszene. In Nimwegen, Groningen und Amsterdam brachen wahrhaftige Straßenkämpfe aus, bei dem Versuch der Polizei Hausbesetzer aus ihren "Festungen" zu jagen. Anfangs wurden ,nur' die Polizei mit Gummiknüppeln und Schutzschilden eingesetzt. Als ein Haus in den Vondelstraße (1980, Amsterdam) nach einer ersten Räumung durch die Polizei wieder besetzt wurde und sogar die dicht befahrene Straße von ihnen verbarrikadiert wurde, wird erstmals die ME mit Panzern eingesetzt. Allerdings lösten sie nur die Barrikaden auf und ließen die Hausbesetzer in Ruhe. Nach diesem Vorfall wurde die Szene radikaler.

Am 30. April 1980 (,Koningendag') wurde die damalige Prinzessin Beatrix zur Königin gekrönt. Die hohen Kosten des Umbaus der Residenz der Königsfamilie und der Feierlichkeiten entfachten heftige Proteste unter den Hausbesetzern. Der Tag wurde zum ,nationalen Hausbesetzertag' ausgerufen. Überall im Land wurden Häuser von überwiegend jungen Leuten eingenommen. Im Inneren der Stadt Amsterdam, ganz in der Nähe der königlichen Feierlichkeiten, leisteten sich Polizisten mit Hausbesetzern und Autonomen eine wilde Prügelei. Als die ME eingriff, wurde es eine richtige Straßenschlacht, die bis tief in die Nacht hinein dauerte. Später wurde bekannt, daß viele Jugendliche, die eigentlich nur wenig mit der Szene zu tun hatten, extra nach Amsterdam gekommen waren um sich mit der Polizei zu prügeln.

Ein anderes Phänomen das erstmals sichtbar wurde und heute ein Problem ist, sind die Fußballhooligans. Hooligans erschienen erstmals in England. Bei und nach Fußballspielen suchten Hooligans der einen Mannschaft die gewaltsame Auseinandersetzung mit denen der anderen. In den Niederlanden wurden die Auseinandersetzungen der Fans (?) und der Polizei Ende der Achtziger immer heftiger. Vor allem die Anhänger der beiden Clubs Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam bekriegten sich untereinander und zählen noch heute zu den Risikoklubs. Oftmals sind die Gründe für die Auseinandersetzungen faschistischer Art -Feyenoord Fans beschimpfen die Ajax Fans als fiese Juden; Ajax Fans beschimpfen die Feyenoord Fans als Nazischweine- andererseits wird auch von beiden zugegeben, daß es die pure Lust an der Gewalt ist.

Die Verschiedenheit der Jugendkulturen vertiefte sich und wurde sichtbar durch die unterschiedlichen Zeitschriften, Radiosender und Plattenläden. Jede Gruppierung hatte ihre eigenen Utensilien. Allerdings mußte man nicht unbedingt einer bestimmten Kultur anhängen, ab jetzt war es erlaubt, sich das beste aus Allem herauszusuchen. Trotzdem gab es in jeder Gruppierung einen harten Kern.

Pink Pop Festival 1980

erstes Pink Pop Festival, Geleen

Punk und New Wave waren der Nährboden für eine neue Generation von Jugendbands. Die Kritik an Amerika führte immer weiter zur Akzeptanz der Muttersprache in der Popmusik. ,Doe Maar' stellte in den Niederlanden alle anderen in den Schatten und ist heute noch bekannt.

Rap und Hip Hop gewannen Popularität mit ,The Urban Dance Squad' als wichtigstes Event.

Ende der Achtziger wurde das Zeitalter des Hardcore, Techno und Trance eingeleutet. Durch den technischen Fortschritt war es Musikern möglich zu Hause relativ einfach elektronische Musik zu produzieren. D-Shake, House of Venus und King Bee ernteten internationalen Erfolg.

Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bands und neue Massenveranstaltungen nahmen zu.

1.8.1 1989-2000 in Deutschland

Nach den "Eskapaden" der NDW hat man fast den Eindruck, daß die Jugend wieder unauffälliger wird. Das scheint allerdings nur auf den ersten Blick so.

1990 war das Jahr der Wiedervereinigung und das der ersten Love Parade. Ein VW-Bulli zog 150 tanzende Jugendliche hinter sich her, bewacht von mindestens doppelt so vielen Polizisten. Es wurde eine Tradition mit immer größeren Ausmaßen. 1999 kamen schon 1,5 Millionen Technojünger (oder auch Raver genannt) nach Berlin um an dem Megaspektakel teilhaben zu können. Diese Anzahl wurde im darauf folgendem Jahr nicht mehr erreicht. Die 1,5 Millionen sind vielleicht auch mit einem Gerücht zu erklären, das verbreitet wurde: "1999 würde die Love Parade zum letzten Mal in Berlin stattfinden". 2000 stand dieses Thema schon gar nicht mehr zur Debatte, dafür fand sie auch in Leeds, Wien, Kapstadt und Tel Aviv statt. Die Musik ist elektronisch, allgemein bezeichnet als Techno. Es gibt verschiedene Varianten sowie Trance, House, 2-Step, Drum 'n Bass usw. Die Vielfalt der Lager und die Anzahl der Medienschubladen nimmt immer noch zu. Die Musik die auf der Love Parade überwiegt ist Trance, die ,leichteste' und harmonischste Variante.

Die Hardcoreszene bei den Ravern ist vor allem bunt, bunt in der Kleidung und in den Haaren. Die Szene hat wegen anscheinend übermäßigem Drogenkonsum einen relativ schlechten Ruf. Man kann zwar nicht, so wie der Berliner Bürgermeister auf der Love Parade 2000, behaupten, daß dies alles Vorurteile seien, aber wie überhaupt immer und überall kann man niemals wirklich zum Drogenkonsum gezwungen werden und die meisten werden schon von der Musik alleine ,high' genug. Offiziell ist es eine politische Veranstaltung, allerdings mit eher ,Love and Peace' Slogans als denn mit politischen. Man könnte im Rahmen dieses Berichtes also sagen, daß die Raverszene eine Mischung aus "Flower Power" (Sechziger), "Gib Gas, ich will Spaß" (Achtziger) und etwas neuem, dem Techno, ist.

Die BRD bekommt nun durch die "Wende" auch mit den ostdeutschen Jugendlichen zu tun. Diese Jugendlichen erlitten einen Kulturschock, sowie alle anderen natürlich auch. Aber für die Jugend war es meiner Meinung nach prägender. In der DDR wahren die meisten Jugendgemeinschaften strikt staatlich strukturiert, trotzdem gab es Nischen, worin sich andere, eigene Gemeinschaften bilden konnten. Ende der Achtziger entwickelte sich dort eine Punkszene. Es wurde sogar ein Gesetz erlassen, das Friseuren verbot jugendlichen, männlichen Personen die Haare zu färben. Irgendwann trat eine Zweiteilung der Szene auf. Einen klaren Grund dafür gab es jedoch nicht. Auf ein mal trugen Jugendliche, die gestern noch Punks waren, eine Glatze und zeigten ihren Widerstand zum DDR-Regime. Daraufhin fanden sie sich schnell auf einer neonazistischen Position wieder, teils zugewiesen, teils selbst gewählt. Die jungen Menschen, die gerade noch die Elite im Ostblock waren, wurden nach der Wende zu Ossis, für viele das Letzte vom Letzten.

Nach der Wende wurden die Meldungen neonazistischer Aktivitäten, wie in Kapitel 1.7.1 angedeutet, immer auffälliger. In Berlin bilden sich dem entsprechend dann auch Antifa-Gruppen, allerdings sind die in der Auswahl ihrer Opfer genau so wahllos, wie jene die sie angeblich bekämpfen.

Eine andere Erklärung, als die schon in der DDR entstandene Spaltung (Punks -> Neonazis), für die scheinbar steigende Anzahl der Neonazis aus den neuen Bundesländern, ist die gestiegene Arbeitslosigkeit. In der DDR gab es nie Arbeitslosigkeit und wenig Ausländer. Als Argument , den Haß auf alle Türken zu rechtfertigen wurde und wird noch immer vorgeschoben, daß die Türken wohl Arbeit hätten, obwohl sie ja nicht einmal Deutsche seien. Das oftmals genau diese Türken seit Generationen und somit im Prinzip länger in der BRD wohnen als sie selber, erwähnen sie nicht oder scheinen sie nicht wahrzunehmen.

Andere Jugendgruppen, um im Rahmen der vorigen Kapitel zu bleiben, sind die Popper der Neunziger. Man nennt sie nicht mehr Popper, sind aber im Grunde immer noch das Gleiche: gepflegtes nicht sehr auffälliges Äußeres, Popmusik als wichtiges Element und die Disco -wenn sie im entsprechendem Alter sind- als liebster Zeitvertreib.

Eigentlich formen heute die eingefleischten Fans einer jeden Boygroup eine eigene Jugendgruppierung. Das Durchschnittsalter der Fans ist seit der ersten Boygroup der 90er Jahre New Kids on the Block von etwa 13 weiter auf ungefähr 9 Jahre gesunken. Nachfolger wie Take That, Backstreetboys, N'Sync etc. lösten bei diesen Jugendlichen genau die gleichen Massenhysterien aus, wie die Beatles in den 60ern bei den 15 bis 18jährigen.

Wenn man durch Aachen läuft, entdeckt man (sehr generalisierend ausgedrückt):

  • Skater mit weiten Hosen und eben halt einem Skateboard;
  • Türken (können auch immer Marokkaner, Ägypter, Israelis, Libanesen, Syrer, Iraner etc. sein) die sehr gepflegt, aber oft auch nach Macho aussehen;
  • Schwarze mit weiten Hosen und dicken Goldketten;
  • Zecken auch oft mit weiten Hosen, Pullover mit Cheguevara drauf und oft mit einem einmaligen Kleidungsstück, sei es auch nur eine Mütze - sie sehen oft etwas schlabberig aus;
  • die Gabber, diese Gruppe gibt es erst seit kurzem in Deutschland (siehe 1.8.2), sind an ihrer Bomberjacke zu erkennen -oft mit einem Aufdruck von ,Neofhyte' oder ,Rotterdam Terror Corps', Kappe mit den gleichen Emblemen und kahlrasierter Frisur;
  • und dann sieht man natürlich noch die Modefreaks, die sich oft verändern und im Moment im leicht veränderten Seventies-Look herumlaufen, Letztere sehen sich selbst oft als Zecken.

1.8.2 1989-2000 in den Niederlanden

1992 tauchen die ersten Gabber auf, das Wort bedeutet eigentlich Freund. Sie verbindet, wie so oft, die Musik. Hardcore wird sie genannt, es ist wohl der schnellste und aggressivste Techno den es gibt. Anfang der Neunziger entstand in Belgien der ,New Beat', dort erstürmte er die Hitparaden und brachte die Szene aus dem Underground in den Mainstream.

Beeinflußt durch diese Entwicklung entstand in Rotterdam der Gabberhouse. Die Diskothek Parkzicht (Rotterdam) wird als der Nährboden für die Rivalität zwischen Rotterdam und Amsterdam angesehen. Ironisch ist, daß der House-DJ aus Amsterdam, Eddy de Clerq, den House aus Rotterdam zum ersten Mal Gabberhouse nannte, um seine Abscheu vor dem Rotterdam-Sound zu äußeren. Der rotterdammer DJ Paul Elstak reagierte mit einer besonders harten und aggressiven Platte, so nutzte er die Hochnäsigkeit des Amsterdamers. DJ Pauls Platte ,Amsterdam, war ligt dat dan?' (Amsterdam, wo liegt denn das?) wird als die erste Gabberplatte angesehen.

Weil Rotterdam eine Arbeiterstadt ist und weil vorher House nur in den allerteuersten Clubs gespielt wurde, wird der Gabber schnell der ,Volkshouse' genannt. Allerdings überstieg die Popularität die der anderen Housevarianten sehr schnell und um Längen. Es entsteht ein richtiger Kult um sie herum.

Es gibt genaue Vorschriften über das Äußere. Die Jungen müßen eine Glatze haben, darüber eine Kappe anziehen mit einem Emblem eines DJ entweder aus Rotterdam oder aus Amsterdam, eine Bomberjacke (am Liebsten auch mit einem Emblem), dann eine Cavelo oder Australien-Hose mit passender, dünner Jacke und an den Füßen "Nike Air Max Classic".

Die Mädchen tragen einen hohen Pferdeschwanz, am Besten werden die unteren Haare abrasiert. Sie tragen die gleichen Bomberjacken, Schuhe, Hosen und Jacken wie die Jungs, natürlich ist es ihnen auch erlaubt mal ein kurzes Röcken oder ein kurzes, meist sportliches, Top zu tragen. Diese Mode hat sich seit '92 bei vielen Jugendlichen kaum geändert, allerdings sind die "Vorschriften" in den Niederlanden heutzutage längst nicht mehr so streng, wie sie einmal waren.

Negative Presse und negative Kritik der übrigen Musikszenen verstärken das Wir-Gefühl der Gabber, man kann immer auf die Hilfe eines anderen Gabbers zählen, auch wenn man den anderen kaum oder gar nicht kennt. Wenn es ganz hart kommt, dann wird sogar die Rivalität zwischen Amsterdam und Rotterdam vergessen. Allerdings spielte diese Rivalität hier in Limburg nie eine gravierende Rolle.

Was in der Szene eine große Rolle spielt sind Drogen. Anfangs wurde vor allem XTC genommen, im Allgemeinen verursacht diese Droge ein spezielles Glücksgefühl. Sie ist enorm gefährlich wegen der ungewissen Zusammenstellung und dem unkritischem Konsum. Vor allem verspürt man keinen Durst und schon viele haben vor lauter Tanzen das Trinken vergessen. Eine absurde Situation, in einer Discothek zu verdursten, ohne es zu merken.

Später konnte man eine starke Tendenz zum Gebrauch von Speed und Amphetaminen erkennen. In den 70ern eingeführt als extrem billiger Kokainersatz, in den 80ern bereits weit verbreitet, boomen die chemischen Drogen in den 90ern weiter und werden immer hemmungs- und kritikloser (dauer-) konsumiert. Da diese Drogen im Allgemeinen aggressiv und übermütig machen, wird der Rausch auch für das Umfeld wesentlich gefährlicher.

Eigentlich gibt es bei den Gabbern keine politische Einstellung, paradox ist daher, daß sie oftmals als White Power-Anhänger angesehen werden. White Power ist eine rassistische Organisation aus England, deren Anhänger auch oftmals kahl rasiert sind. Die Meisten finden die Vorwürfe übertrieben, da es nur eine kleine Gruppe beträfe. Was mir persönlich aufgefallen ist, ist das viele Gabber nach außen hin rassistische Äußerungen machen, um cool zu sein oder zu wirken, innerlich meinen sie es aber nicht wirklich ernst, denn wenn ein dunkelhäutiger Niederländer vorbeikommt, den sie kennen, sind sie viel toleranter, eher freundschaftlich gesinnt. Ab '97 nimmt die Szene deutlich ab, nur der harte Kern ist immer noch da. In der Peppermille werden noch immer regelmäßig Hardcorepartys veranstaltet, sowie auch immerhin noch das Mysterylandfestival und das Thunderdomefestival jährlich abgehalten werden. Die Mode hat sich von Cavello und Australien auf Londsdale, O'Neil und Gapstar verändert. Exgabber, wie mein Bruder und mein Freund, sehen zwar immer noch ein bißchen aus wie Gabber, aber nicht mehr so extrem wie noch vor drei Jahren und sie sind musikalisch viel offener geworden. Das habe ich auch bei anderen Ehemaligen festgestellt.

Das Gegenstück zum Gabber wird Alto (in Deutschland Zecke) genannt. Altos sind alternativ eingestellt. Alternativ ist ein sehr breiter Begriff, denn auch klassische Musik ist alternativ, weil sie nicht kommerziell ist. Eigentlich sind sie nur alternativ gegenüber der breiten Masse und den Gabbers (die im Prinzip auch alternativ waren/sind). Altos sehen oft etwas schlabberig aus, sie hören überwiegend "Alternative Rock", was eigentlich einfach Rock ist (das könnte ich einem eingefleischten Alto aber nicht klar machen). Anfangs hörten sie nur unkommerzielle Musik, also von lokalen Bands oder damals noch unbekannten. Die amerikanische Band Korn ist dafür ein Beispiel. Als Korn vor kurzem so richtige Stars wurden, war es den meisten Altos aber egal.

Fans einer Band, denen das nicht so egal war, sind die der einheimischen Band ,Heideroosjes'.

Der Alto wurde immer mehr durch die Medien geprägt und heutzutage gibt es nur noch wenige richtige Altos. Alle, die sich von der Masse durch auffallende Kleidung abhoben und dazu auch noch Alternative Rock hörten wurden auf einmal Altos genannt. Alternative Rock ist im Moment aber so in, daß die Altos so langsam die Masse bilden.

Dutch DJ-Battle 1989

Dutch DJ Battle, Amsterdam (J. Schaffer, 16.10.1989)

2. Beantwortung der Teilfragen

Teilfragen:

  1. Wie gefährlich sind jugendliche Gruppierungen?
    Wann werden sie gefährlich? Für wen sind sie gefährlich, für sich selbst oder für andere?
  2. Was sind die essentiellen Unterschiede zwischen einer deutschen und einer niederländischen Jugendkultur in den jeweiligen Epochen?

Teilfrage 1

Eine Kultur ist nichts gefährliches, sie ist ein gesellschaftlicher Zustand, der an sich wertfrei ist. Jeder Mensch, angefangen bei der Jugend, macht sich die Natur und die gegebenen Voraussetzungen zu nutze. Wir wollen alle so gut wie möglich leben. Das ist nichts schlechtes, schlecht können nur die Wege sein, die man wählt um sich eine Kultur, ein eigenes Umfeld zu schaffen. Alle streben oder strebten nach einem undefinierbaren Etwas. Jugendliche, die dieses Etwas in Worten formulieren wie ,viel Geld verdienen', ,Macht haben' oder ,eine Familie gründen' sind in dem Moment, wenn sie es sagen und dann auch tatsächlich dem nachstreben, keine wirklichen Jugendlichen mehr. Sie kommen dann nämlich zu einem Stillstand und werden dadurch geschlossen für viele andere Dinge, die diese Welt zu bieten hat. Es wäre vielleicht besser, man würde dieses undefinierbare Etwas niemals definieren. Trotzdem werde ich diese Definitionsversuch hier wagen. Ich denke, das es um Freiheit geht, aber nicht um die Freiheit tun und lassen zu können, was man will. Freiheit bedeutet Harmonie, in Frieden leben mit seiner Umwelt, aber auch sich frei machen können von gegebenen Strukturen, ohne diese zerstören zu müssen. Absolute Freiheit kann man niemals erreichen. Man kann ihr sehr nahe kommen, wenn man im Stande ist, sich von sich Selbst zu lösen und dann erst einmal das eigene Ich kritisch zu betrachten. Danach ist es wichtig wieder zurück zu kehren um dann eine Weile in Ruhe und Harmonie, also Freiheit, in seinem Körper und seiner Kultur zu leben. Ruhe ist wichtig, man sollte aber nie zu lange im Ruhestand verbleiben.

Jugendliche sind ruhelos in ihrer Suche nach Freiheit. Leider wird diese Freiheit oft mit dem Wunsch nach Anarchie verwechselt. Jene, die nicht nur von ihrer Kultur, sondern auch noch von ihren Eltern beklemmt werden, versuchen dies oft auf radikale und im Grunde unfreie Weise. Wenn ein Kind nicht lernt mit sich selbst umzugehen, wird es in der Pubertät noch schwerer, wegen einem oft neuem Umfeld und auch wegen der hormonellen Veränderungen im Körper. Wenn diese desorientierten Jugendlichen dann in eine Jugendgruppierung hinein geraten, hängt die Entwicklung des Ich oft der Gruppe ab, bzw, wird von ihr bestimmt. Weil sie ihr Ich noch nicht gefunden haben meinen sie es in der Gruppe finden zu können. Eine starke Gruppe, wovor viele Respekt, aber auch viele Angst haben, hat eine größere Anziehungskraft, als eine Gruppe die aus ,Verlierern' besteht. In den Fünfzigern sind das die Halbstarken oder Nozems, in den Siebzigern und Achtzigern die Punks und Rocker und in den Neunzigern die Gabber. Ab den Dreißigern gehören die Nazis und später Neo-Nazis auch immer dazu.

Jugendgruppierungen werden gefährlich, wenn das Ich des einzelnen in der Gruppe verloren geht. Das ist vor allem für die Person selbst gefährlich. Für sie wird es nämlich sehr schwer sein, als selbstständiges Individuum in der Gesellschaft zu agieren.

Gefährlich für eine gesamte Gesellschaft wird es, wenn das Ich des Einzelnen in der Gruppe verschwindet und das Ich einer einzigen Person zum Ego einer ganzen Gesellschaft wird. Das ist nämlich 1933 passiert, das Ich des einzelnen wurde ersetzt durch das Ich von Hitler und seinen "Mit-Ichs". Bei den Neonazis passiert es noch immer. Ich denke allerdings das die Gefahr für die ganze Gesellschaft bei den Neonazis viel geringer ist, vor allem wegen unserer stabilen wirtschaftlichen Lage und unserer gewachsenen persönlichen Freiheit. Allerdings sind Teile der Gesellschaft betroffen. Die RAF oder die IRA und UDA in Nord-irland trugen und tragen die gleiche Gefahr, wie die Neonazis.

Ein anderes Beispiel der letzten 20 Jahre sind die zahlreichen Sekten, die entstanden sind. Eine Sekte macht sich nicht zum Ziel die ganze Welt zu überzeugen, also ist es vor allem eine Gefahr für das Individuum. Sehr viele junge Leute suchen ihre Freiheit in derartigen Institutionen.

Wenn man Mitglied einer Jugendbewegung ist und man hat trotzdem Platz genug um sein eigenes Ich zu entwickeln, ist es eine gute Sache. Eine Gruppe kann einem viel bieten, sie kann einem bei der eigenen Entwicklung helfen. Ich denke das Jugendliche anderen Jugendlichen besser helfen können, sich zu entwickeln als das Erwachsene für sie tun können. Ob und in welchen Jugendbewegungen im Laufe der von mir beschriebenen Epochen dies der Fall war, kann ich nicht beurteilen. Es kann immerhin auch so gewesen sein, daß manche frei waren und andere in der gleichen Gruppierung nicht.

Wie schon gesagt, sehe ich die faschistischen Jugendbewegungen als gefährlich an. Strikt gesehen kann man sie gar nicht als Jugendbewegung bezeichnen, weil meist die Fäden in den Händen von Erwachsenen liegen, aber das macht die Sache nur noch schlimmer und gefährlicher. Allerdings sehe ich die meisten Antifa-Gangs als genauso gefährlich an. Ich las in einer Zeitung über Faschos in Berlin, die, wenn sie sich in Gruppen bewegen, wahllos Türken und andere dunkelhäutige oder einfach Nicht-Faschos besinnungslos prügeln. Ich las aber auch über Antifa-Gangs, die, wenn sie in Gruppen sind und von weiten einen Skinhead sehen, auf ihn zu rennen und ihn ebenfalls besinnungslos schlagen. Skinhead bedeutet kahlrasierter Schädel. Das haben ja nicht nur die Neonazis sondern auch zum Beispiel die Gabber. Für den Skin in dem Zeitungsbericht traf Letzteres zu!

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Jugendliche aus der MAVO eher in einer Gruppe untergehen, als Jugendliche aus dem Atheneum. In Deutschland ist der Unterschied auch da, aber geringer. Das liegt nicht immer an einem scheinbar niedrigeren Intelligenzquotienten, sonder eher daran, daß Leute auf dem Atheneum oder Gymnasium sich mehr für das Lernen interessieren (und da auch mehr Zeit hinein stecken), als für den Anschluß an irgendeine Gruppierung.

Die Rolle, die Erwachsene in der Entwicklung Jugendlicher spielen müßten, möchte ich mit dem folgenden Zitat verdeutlichen.

"Es ist vergebens zu sagen, fliege - dem der keine Flügel hat, und er wird durch alle deine Ermahnungen nie zwei Schritte über den Boden emporkommen; aber entwickle, wenn du kannst, seine geistigen Schwungfedern, und lasse ihn dieselben üben und kräftig machen, und er wird ohne all dein Ermahnen gar nicht anders mehr wollen oder können, denn fliegen"

Teilfrage 2

1900-1930

Die wirtschafltiche, sowie auch die politische Lage waren ähnlich. Die Versäulung spielte in den Niederlanden zwar eine Rolle, aber die Jugendlichen aus den unterschiedlichen Säulen unterschieden sich genau so wenig (obwohl sie es nicht wahrnahmen) von einander, wie sie sich im Ganzen von der deutschen Jugend unterschieden.

Bei meiner Recherche und in meinem Bericht machte es den Eindruck, als wenn alle Jugendlichen sich ab 1900 gegen die gesellschaftlichen Strukturen stellen wollten. Wahrscheinlich war das immer schon in gewissen Maße so. Trotzdem scheint es ein ,Problem' der Moderne zu sein. Die Wandervögel und auch die Abstinenzlergruppen verinnerlichten das genaue Gegenteil der Gesellschaft, die sich im Laufe der Industrialisierung entwickelt hatte. Sie sahen, daß Städte immer größer wurden und daß Dörfer zu Städten wurden, aber vor allem sahen sie, mit welchem Dreck und Elend diese Entwicklungen verbunden waren. Das war ein Anlaß für das blaue Prinzip, die Folge war die entdeckte Liebe zur Natur. Die Romantik, die ein Phänomen des 19. Jahrhunderts ist, hatte noch immer ihren Einfluß. Das war eine künstlerische Strömung, die auch einen sehr starken, aber auch melancholischen Hang zur Natur aufwies.

Die Absetzung gegenüber den Eltern, oder im allgemeinen gegenüber den Erwachsenen, wird nicht nur durch den Drang der Jugendlichen verursacht, sondern auch durch den Gegendruck der Erwachsenen. Diese geben der Jugend eine genaue Zeit vor und wenn diese Zeit vorüber ist, müssen sie plötzlich erwachsen sein. Sie denken, daß es so sein muß, daß anders unsere Gesellschaft nicht funktionieren kann. Unterbewußt sind sie vielleicht sogar neidisch, sie wollen nicht, daß die heutige Jugend mehr Zeit hat, als die Erwachsenen in ihrer Jugendzeit. Sogar die Angst vor dem Tod könnte eine Rolle spielen.

,Jugend ist deswegen so golden im goldenen Käfig und darin beneidet, weil der Tod so weit weg ist. Die Rache der Neider ist die künstliche Hölle, der Krieg, das Schlachtfeld der Jugend für einen frühen Tod.'

Mit Neider sind die Erwachsenen gemeint; mit der künstlichen Hölle, dem Krieg und dem Schlachtfeld der Jugend wird das Meer an Vorschriften und Regeln woran die Jugend sich nach Meinung der Eltern halten müsse gemeint; mit einem frühen Tod wird die Zeit gemeint, die den Jugendlichen vorgegeben wird.

1930-1945

Oberflächig betrachtet ist in dieser Epoche die Jugend beider Länder grundverschieden. In den Niederlanden war nicht jeder beim Jugendsturm, aber wohl jeder in Deutschland bei der HJ/BDM. Oberflächig gesehen müßte also jeder Jugendliche in Deutschland nationalsozialistisch eingestellt gewesen sein und in den Niederlanden nur ein Paar. In den Niederlanden müßten die Jugendlichen also mehr Raum gehabt haben, um sich zu entfalten.

Näher betrachtet kann man nicht sagen, daß jeder in der HJ/ BDM war. In 1.3.1 habe ich als Beispiel meinen Großvater genannt. Auch ist es nicht so, daß jeder Jugendliche in der HJ/ BDM nationalsozialistischer Gesinnung war. Die Einstellung des Elternhauses spielte eine große Rolle. Wenn man keine gute Ausrede zum Nichteintritt hatte, mußte man dort hin, wenn man nicht um sein Leben und das der Eltern bangen wollte. Das Elternhaus meiner Großmutter war nicht nationalsozialistisch eingestellt, dennoch schickten sie ihre Kinder dort hin. Wegen der Haltung ihrer Eltern konnte meine Großmutter aber nie von Hitler und Konsorten überzeugt werden. Man darf niemals die Angst vergessen, die Menschen zu Taten zwingt, die eigentlich nicht mit ihrem Selbst übereinstimmen. Zu dem kommt, daß die Jugendlichen meistens noch so unpolitisch in ihrem Denken sind, daß sie die Politik, die sie betrifft oft nicht einmal erkennen können.

Ich möchte noch erwähnen das der Anteil der Nazis in den Niederlanden, besser gesagt der NSB-Mitglieder, zwar im Gegensatz zu Deutschland klein war, aber im Grunde doch beachtlich und vor allem nicht aus den Augen zu verlieren ist!

Die Angst vor dem Nichteintritt in den Jugendsturm war bei den niederländischen Jugendlichen viel geringer, trotzdem kann man nicht sagen, daß sie ab 1940 viel mehr Raum zur Entfaltung gehabt hätten. Nach dem Ausbruch des Krieges war jeder gleich, jeder hatte gleichviel Angst und später auch Hunger.

Fazit: Auch hier waren sie sich sehr ähnlich.

1945-2001

Anfangs ist der Wiederaufbau an der Tagesordnung und zwar für alle - für die Erwachsenen und die Jugend beider Länder.

Obwohl der Neuanfang für Deutschland noch schwieriger und unsicherer war und auch der kalte Krieg Deutschland mehr beeinflußte, unterschieden sich die Jugendlichen der BRD und die der Niederlande nur kaum und unwesentlich.

Flower-power gab es auf der ganzen westlichen Welt, genau wie die Beatles, die Rolling Stones, Studentenrevolten, Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, den Minirock, Experimente mit Drogen, Neonazis, Jugendgangs, New Wave und so könnte man fast eine Seite voll schreiben.

Natürlich gibt es kleine Unterschiede. Der New Wave hatte in Deutschland ein etwas größeres Ausmaß, wahrscheinlich weil der Einfluß der englischen Sprache in den Niederlanden groß blieb. Der Punk hatte in den Niederlanden wiederum ein größeren Umfang, womit diese Entwicklung zu begründen ist kann ich nur vermuten. Ich nehme mal an, daß die NDW den Punk als Bewegung einfach überschattet hat.

Auffällig ist, daß die unterschiedlichen Jugendkulturen sich enorm schnell hintereinander und zunehmend nebeneinander entwickeln. Die Jugend möchte sich schnell und am liebsten radikal gegen die Normen und Strukturen des ,Normalsein' absetzen. Wenn das geschafft ist, gehen immer mehr Jugendliche den neuen Weg, was dann wieder zu neuen Strukturen, deren Kommerzialisierungen und damit zu weiterer Akzeptanz führen. Und dann fängt alles wieder von vorne an, weil es inzwischen wieder neue Jugendliche gibt, für die das Vorige zu normal ist. Der Rock-n'Roll und die Halbstarken in den Fünfzigern erschreckten die Gesellschaft. Die Sättigung ist schnell erreicht. Die Halbstarken kriegen auch Kinder. Die Hippies entstehen. ... und so weiter.

Das sich diese Gruppierungen immer schneller nach einander entwickeln, liegt an dem Reichtum und Überfluß, in dem wir ab der Mitte der Fünfziger leben. Da der Reichtum immer mehr wird, gruppieren und degruppieren sich die Jugendlichen im immer kürzeren Abständen.

Der Fall der Mauer gibt der DDR-Jugend aber auch der BRD-Jugend einen neuen Charakter. Die Ossis hegen das Vorurteil, daß alle Wessis meinen würden, sie wären was Besseres; die Wessis glauben, daß sie den Ossis erst einmal die Realität lehren müßten. Heute wird langsam hier und da kein Unterschied mehr zwischen Wessi und Ossi gemacht. Bis man aber wieder ohne Vorbehalt von einer ,deutschen Jugend' sprechen kann, muß noch mehr ,Gras über die Sache wachsen'. In diesem Phänomen unterscheiden sich Deutschland und die Niederlande schon. In den Niederlanden gab es eine derartige Zweiteilung nie. Allerdings gibt es Vorurteile, nämlich die von Hochholländern gegenüber Limburgern und umgekehrt, die man natürlich auch bei der Jugend wiederfindet.

3. Meine Schlußfolgerungen: Stimmt meine Hypothese mit dem von mir recherchierten Bild überein?

Hypothese:

Jede Jugendkultur findet ihren Ursprung in der wirtschaftlichen, politischen und technischen Lage der jeweiligen Zeit des einzelnen Landes. Dabei gehe ich davon aus, daß die deutsche Jugendkultur sich kaum von der niederländischen unterscheidet.

Beide Länder haben zur gleichen Zeit stabile und instabile wirtschaftliche Lagen durchgemacht. Die Dreißiger und der Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg waren für beide instabile, schwere Zeiten.

Bei der Betrachtung der politischen Entwicklung beider Länder habe ich gemerkt, daß diese sich voneinander unterscheiden. Die Niederlande ist schon viel länger eine Demokratie, dazu kommt die Versäulung, die es in Deutschland nie gegeben hat. In den Niederlanden gab es dafür keine "Mauer". Doch muß ich sagen, daß diese unterschiedlichen Entwicklungen, mit Ausnahme der Dreißiger (und da auch nur oberflächig) die Jugend nicht so beeinflußt haben, daß sie sich grundsätzlich von einander unterscheiden würden. BRD und Niederlande gehören zur westlichen Welt und wurden daher vor allem von England, USA und natürlich voneinander beeinflußt.

Die technische Entwicklung war nicht so unterschiedlich, daß sie die Jugend unterschiedlich beeinflussen hätte können.

Obwohl die politische Lage sich in manchen Epochen unterscheidet kann ich trotzdem den Teil meiner Hypothese bestätigen, daß jede Jugendkultur ihren Ursprung in der politischen, wirtschaftlichen und technischen Lage der jeweiligen Zeit hat. Das ist mitunter ein Grund, warum sich die Jugend bis zu den 30er Jahren gleich entwickelt hat. Die Wandervögel und die Padvinders waren eine Reaktion auf die sich immer weiter entwickelnde Industrialisierung. Die wirtschaftliche Lage war gleich, die politische Lage war vergleichbar und der technische Hochstand auch, obwohl Letzteres damals kaum eine Rolle spielte.

In den Dreißigern waren die Jugendkulturen, wie schon in Kapitel 2 erwähnt, äußerlich verschieden, innerlich ähnelten sie einander aber immer noch sehr.

Der Wiederaufbau bedeutete wieder eine vergleichbare wirtschaftliche Lage, politisch unterschieden sie sich aber zu wenig um die Jugendkulturen zu beeinflussen.

In den Fünfzigern sind die Halbstarken, die Nozems und der Rock'n-Roll eine Reaktion auf den Wohlstand, der für fast jeden erreichbar ist.

In den Sechzigern sind die Hippies und Studentenbewegungen eine Reaktion auf die wachsende Kritik gegen Amerika, vor allem verursacht durch den Vietnamkrieg, aber auch auf die zunehmende Spießbürgerlichkeit, die durch den Kapitalismus vertieft wird.

Der Disco, genau wie der Techno und Gabber ist zurückzuführen auf die technischen Entwicklungen, die Hausbesetzerszene auf die aktuelle Wohnungsnot.

Der erste Teil meiner Hypothese wird durch meine Recherchen bestätigt. Allerdings muß ich sie vervollständigen. Und zwar mit der Aussage, daß die Jugendkulturen nicht nur durch die wirtschaftliche, politische und technische Lage des eigenen Landes und Zeit beeinflußt werden, sondern auch sehr stark durch die Situation in anderen Ländern und durch die Situation des eigenen und die anderer Länder in ihrer Vergangenheit. Das beste Beispiel ist der Britpop, aber auch der Nationalsozialismus untrennbar mit dem zweiten Weltkrieg und dem Neonazismus verbunden.

Der zweite Teil meiner Hypothese wird auch bestätigt. Die Jugendkulturen unterscheiden sich nicht wesentlich. Kein Jugendlicher gleicht dem anderen, es gibt unterschiedliche Jugendgruppierungen, aber immer innerhalb einer Jugendkultur. Ich würde die niederländische und die deutsche Jugendkultur trotzdem nicht, oder noch nicht Eins nennen. Dafür ist allein schon der sprachliche Unterschied und hier vor allem die Jugendjargons, auf die ich ansonsten nicht eingegangen bin, zu groß. Aber auf Grund der Gleichheiten würde ich die Jugendkulturen auf jeden Fall miteinander verbunden nennen.

These

Die Westeuropäische Jugendkultur findet ihren Ursprung in der wirtschaftlichen, politischen und technischen Lage der jeweiligen Zeit, sowie auch die in der Vergangenheit des eigenen und auch aller anderen westlichen Ländern. Dabei unterscheidet sich die deutsche Jugendkultur nur unwesentlich von der niederländischen.

Anmerkung: Ich habe in meinem Bericht längst nicht alle Gruppierungen, Musikstile und Aspekte die für die Jugend des vergangenen Jahrhunderts eine Rolle spielen benannt, dafür wären 80 Stunden (von mir angesetzt) Bearbeitungszeit viel zu wenig gewesen (tatsächliche Arbeitszeit 128 Std.). Die genannten Strömungen, Gruppierungen und Bandnamen repräsentieren auch nicht die "Wichtigsten", die zu nennen wären, sondern einfach die, über die ich (als zeitgenössiger Jugendlicher) in meinen Recherchen "gestolpert" bin. Das Informationsangebot zu diesem Thema, in den zur Verfügung stehenden Medien, ist zum Einen dünn gesäht und das Kriterium der individuellen Wichtigkeit so subjektiv, daß es hier zunächst eher vernachlässigt worden ist.

Hier möchte ich zusätzlich das Internet, als aktuelles Medium der Zeit, zum Zuge kommen lassen. Jedem, ob Jugendlicher oder "Erwachsener" (der sich an seine Jugendzeit erinnert), soll hier die Möglichkeit gegeben sein, seinen Eindruck, der für ihn als Jugendlicher relevanten Fakten zu seiner Zeit, wiederzugeben. -> Einfach aufschreiben und als eMail an schicken. Die Redaktion dieser Onlinebibliothek (www.obib.de) wird eure Eindrücke/Beiträge als Anhang zu diesem Bericht veröffentlichen.


Literaturliste der deutschen Literatur
  • Was war das - die Jugendbewegung? Drei Antworten von Theodor Wilhelm, Wilhelm Flitner und Hans Raupauch, 1980, Eugen Diederichs Verlag
  • Vom Lagerfeuer zur Musikbox - Jugendkulturen 1900-1960, 1985, Elefanten Press
  • Künstliche Paradiese der Jugend -zur Geschichte und Gegenwart ästhetischer Subkultur-, 1984, Litverlag
  • Underdogs -Ermittlungen in Jugendsachen-, 1994, Stam Verlag Köln-München
  • Jugendverbände in der BRD -ein Gesamtwerk von Diethelm Damm, Jörg Eigenbrodt und Benno Hafeneger, 1979

Literaturliste der niederländischen Literatur

  • Papua Punk, 1982, De Woelrat
  • Jeugd en samenleving, 1982, AMBO
  • New Age, Drs. I.A.Kole, 1983
  • Van de straat een beeld van 150 jaar jeugdkultuur in Nederland, 1990
  • Laten zien dat we beesten zijn, Peter Gielissen/ Pieter Vonk, 1986, BZZTÔH 's Gravenhage
  • Sprekend verleden deel 3, 1991, Nijgh van Ditmar Educatief
  • Ga d'r maar aan staan: jong zijn in de jaren tachtig, 1983, De Horstink
  • CKV2 leerboek: "De bespiegeling" Module 3

Internetsites
(auf allen Internet-Seiten ist der ursprünglich referenzierte Inhalt seit spätestens 2009 nicht mehr verfüg-/ oder auffindbar!)

TV-Sendung

  • ,POP 2000' Fernsehprogramm auf VIVA vom 14.01.2000

, 30.01.2001 (Abiturarbeit, Bernadinus College, Heerlen - NL)


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Gewalt und Weiblichkeit
Das Chinabild im Mittelalter
Schamanismus der Postmoderne
Kosmologie und Kosmogonie der Sa'dan Toraja
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Von den Zahlen 5 und 8
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