Hatschepsut

("Erste Dame")   Königin des Nils

Eine der seltenen erhaltenen Statuen der Pharaonin - nach ihrem Tod verscharrt und kürzlich wiedergefunden
(Äg. Museum Kairo)

Der erste weibliche Pharao war eine der spektakulärsten Persönlichkeiten der an ungewöhnlichen Charakteren reichen 18. ägyptischen Dynastie. Als ihr Halbbruder und Gatte, Pharao Thutmosis II 1490 v. C. starb, wurde ihr zweijähriger Stiefsohn Thutmosis III, später "der Große", sein Nachfolger. Hatschepsut führte zunächst die Regierungsgeschäfte für ihn als Regentin. Zwei Jahre später ließ sie sich zur Königin ausrufen und herrschte 22 Jahre. Dabei wurde ihre Erscheinung in Portraits, Reliefs und Sphingen immer männlicher, zeigte immer weniger weibliche Attribute. Sie trug schließlich nur noch Männerkleidung, einschließlich des zeremoniellen Pharao-Bartes.
In ihrem Tempel Deir el-Bahari beim Tal der Könige in West-Theben (heute Luxor) vermischen sich in Flachreliefs ihr Leben und ihr politischer Anspruch: Zeugung durch Gott Amun in Gestalt ihres Vaters, göttliche Geburt, Beschneidung (!), Heirat mit zwölf Jahren, Thronbesteigung auf Befehl des Gottes mit dem Krönungsnamen "Maat-Ka-Re - Wahrheit und Lebenskraft, ein Re", Tempelbauten und - als Höhepunkt - die Schiffsexpedition in das magische Land Punt der Götter, des Goldes, des Weihrauchs und der Myrrhe. Unsägliche Schätze wurden nach drei Jahren auf den fünf Segelschiffen mit 30 Ruderern zurückgebracht.   – Gold, Weihrauch-Sträucher, hartes Ebenholz, Elfenbein, Affen, Pygmäen, die für die Tempelzeremonien so wichtigen Zwergmenschen.          Bis heute streiten die Wissenschaftler, wo Punt lag, obwohl man einen Teil der Strecke anhand der anatomisch genau abgebildeten Fische rekonstruieren kann. Im heutigen Somalia? Eritrea? Simbabwe? Für letzteres spricht die lange Dauer der Fahrt, der Typ einer mit Fettsteiß abgebildeten Königin, einer echten Hottentotten-Dame, und die Antimon-Nutzung seit der 6. Dynastie, obwohl die herrschende Meinung heute Somalia zuneigt. Möglicherweise war Punt zu verschiedenen Zeiten der Geschichte in verschiedenen Gegenden.
         Das obige Foto zeigt eine der seltenen erhaltenen Statuen der Pharaonin im Äg. Museum Kairo - nach ihrem Tod verscharrt und erst kürzlich wiedergefunden. Und der folgende Papyrus stellt eines der Schiffe dar, gemalt nach einem der genannten Reliefs. Interessant ist das lange, gedrehte Tau, das dem Rumpf Spannung und Stabilität verleiht. Dadurch bricht er nicht, wenn er einmal mittschiffs auf einer Welle sitzt. Man könnte es heute schiffsbautechnisch kaum besser machen.

    Täfelchen der Hatschepsut aus Theben-West
      (L: 6,7 cm, B: 5,7 cm, H: 0,8 cm; Privatbesitz)
  Die Hyxos, ein asiatisches Reitervolk mit Bogenschützen und Kampfwagen, waren nach hundertjähriger Herrschaft am Nil von Hatschepsuts Vorgängern vertrieben worden. Daher konnte sich die "Erste Dame" mit aller Kraft friedlichen Aufgaben widmen, wie tüchtiger Verwaltung, guten Gesetzen, Tempelbau, Opferkult. Letztere sicherten auch ein gutes Verhältnis zu der übermächtigen Priesterschaft, ohne deren Hilfe die revolutionäre, staatsrechtswidrige Herrschaft kaum hätte begründet und aufrecht erhalten werden können. Es war ein "Kairos", ein richtiger Augenblick der Geschichte, den diese faszinierende Frau klug und tatkräftig zu nutzen verstand.
Nach 22 Jahren Herrschaft stirbt Hatschepsut, vermutlich ermordet durch ihren Stiefsohn, der wohl endlich an die Macht wollte. Ihr Grab ist verschollen, ihr Gesicht in Portraits und Statuen zerkratzt, ihre Sphingen zerschlagen, ihre Kartuschen ausgemeißelt und zum Teil durch die des Nachfolgers ersetzt.
Eine weitere menschliche Tragödie ist offenbar ihrem mächtigen ersten Schreiber, Haushofmeister und Architekten Senenmut, dem Lehrer und Vermögensverwalter ihrer Tochter Neferura widerfahren. Er wird häufig in kunstvollen Statuen, auch als "Würfelhocker" abgebildet. Im 16. Jahr der Herrschaft verliert sich nach einer brillanten Karriere seine Spur in der Geschichte. War er der Geliebte der Pharaonin und fiel er in Ungnade? Starb er oder überlebte er sie und fristete seinen weiteren Weg als ungenannter, unbedeutender Beamter?
Eine Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz in Speyer illustrierte die Herrschaft Hatschepsuts und den hohen Stand der ägyptischen Kunst in ihrer Zeit  (bis zum 27. Oktober 2002).
Klaus G. Müller, 2003
Web-Link:* Maat-ka-Ra Hatschepsut